Gemeinde würde Umbau bezahlen

Letzte Amtshandlung: Silvesternotdienst

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Berlin -

Die rund 1800-Seelen-Gemeinde Wilstedt in Niedersachsen könnte ab 2025 ohne Apotheke dastehen. Sabine Blume-Forst weiß schon jetzt, dass sie ihren Betrieb mit dem Silvesternotdienst einstellen wird. Ihre Apotheke ist dann die fünfte im Notdienstkreis, die innerhalb weniger Jahre schließt.

Laut Blume-Forst gibt es mehrere Gründe für die bevorstehende Schließung. „In ihrem jetzigen Zustand kann ich die Apotheke nicht übergeben.“ Der Wilstedter Apotheke fehlt nämlich das Beratungszimmer. „Ich habe einen Bestandsschutz“, erklärt die Apothekerin. Ursprünglich hatte sie im Dorf einmal bauen wollen. Neben unterschiedlichen Versuchen, sich zu vergrößern, standen der Inhaberin drei große Kastanienbäume im Weg, von denen sich die Gemeinde nicht trennen wollte. Vom damaligen Lüneburger Pharmazierat hatte sie aufgrund ihrer Bemühungen dann Bestandsschutz erhalten.

Keine Übernahme, sondern Neugründung

Für einen möglichen Nachfolger wäre die Übernahme somit eine Neugründung. „Meine Apotheke ist eine gemütliche Landapotheke. Wenn man in die Zukunft denkt und überlegt, was man alles anbieten soll, sind die Räumlichkeiten aber zu klein.“ Nach wie vor befindet sich die Apotheke im neueren, hinteren Teil des Sparkassengebäudes von Wilstedt. Dieser wurde 1986 angebaut. Der alte Trakt, indem sich die Sparkasse bis zur Pandemie befand, ist von 1902. Insofern ist Blume-Forst in den Räumlichkeiten verblieben, in denen sie Anfang Februar 1991 ihre Apotheke eröffnet hatte.

„Wenn sich noch jemand findet, der die Apotheke übernimmt, müsste er in die Räumlichkeiten der Sparkasse umziehen. Das wäre dann entsprechend eine Neugründung. Die Gemeinde trägt die Kosten für die Umbaumaßnahmen.“ Die Kosten für die Einrichtung müsste die Nachfolge selbst bezahlen.

Bisherige Übernahmeversuche

In der Corona-Pandemie ist die Sparkasse aus dem Gebäude ausgezogen. So entstand die Idee, in den vorderen, älteren Teil mit der Apotheke zu ziehen. Blume-Forsts Approbierte sagte zu, die Apotheke übernehmen zu wollen. Es gab schon Einrichtungspläne, das Vorhaben war bereits durchgerechnet; doch dann zog die Kollegin zurück. „Sie begründete das mit der aktuellen politischen Situation“, erklärt die Inhaberin.

Aufgeben wollte Blume-Forst an dieser Stelle nicht. „Dann versuchte ich auf anderen Wegen in Kontakt mit jungen Leuten zu treten. Das ist durch die politische Lage tatsächlich sehr schwierig. Die jungen Pharmazeuten haben überhaupt keine Zukunftsperspektive in der öffentlichen Apotheke“, findet Blume-Forst. „Wenn das Honorar statt erhöht noch verkürzt wird – wie das jetzt ja passiert – was sollen sie dann noch erwirtschaften können?“

Veränderte Arbeitsmoral und Personalmangel

Die Wilstedter Apotheke ist zurzeit schmal besetzt: Mit ihrer seit 30 Jahren angestellten PTA und einer PTA in Teilzeit hält die Inhaberin die Fahne hoch.

„An sich habe ich ja vier Angestellte.“ Neben ihrer Vollzeit-PTA, die Mitte 2024 in Rente geht, hat sie noch zwei Teilzeit-PTA und eine Approbierte im Team. Letztere hatte Blume-Forst 2018 durch Mithilfe einer Kundin gefunden. Die Suche hatte zwei Jahre in Anspruch genommen. „Sie arbeitet eigentlich halbtags. Möchte keinen Notdienst machen. Die jungen Leute möchten nicht mehr so viel arbeiten“, weiß Blume-Forst. Neben ihrer Approbierten ist auch eine ihrer Teilzeit-PTA krankheitsbedingt schon länger nicht in der Apotheke tätig. „Meine Teilzeit-PTA arbeitet bis auf einen Tag die Woche vormittags und jeden zweiten Samstag.“

„Die Arbeitsmoral ist nicht mehr so, wie sie früher einmal war. Das hat sich verändert. Damit muss man sich einfach abfinden. Das ist nicht nur in Apotheken so“, schildert Blume-Forst ihren Eindruck.

Dass es auch anders geht, schätzt die Inhaberin an ihrem aktuellen Team sehr. „Meine andere Teilzeit-PTA ist eine geflüchtete Irakerin. Sie versucht alles zu machen und mich so gut es geht zu unterstützen. Sie hat eine unglaublich gute Berufsauffassung, arbeitet für die Apotheke. Sie sagt immer: ‚Ach, Frau Blume, das schaffen wir schon.‘“ Auch ihre langjährige Vollzeit-PTA halte ihr immer den Rücken frei, so die Apothekerin.

Die Vorzüge der Landapotheke

„Eine Landapotheke zu leiten ist irrsinnig schön“, findet Blume-Forst trotz der erschwerten Verhältnisse. „Das Spektrum ist so breit. Früher hatten wir sogar noch einen Tierarzt im Ort, der kam natürlich auch zu uns.“ Der Beratungsanteil sei im Vergleich zu einer Stadt-Apotheke erheblich größer, schätzt die Inhaberin. „Wir beraten hier noch viel, weil wir die Familien alle kennen. Wir sehen die Generationen noch heranwachsen. Als ich hier vor 33 Jahren anfing, habe ich junge Familien kennengelernt mit kleinen Kindern. Diese Kinder sind natürlich schon lange erwachsen und haben selbst wieder Nachwuchs.“ Dadurch, dass man sich so gut kenne, könne auch eine gezieltere Beratung gelingen, so die Apothekerin. „Wir wissen, welche Krankheiten es innerhalb der Familie gibt und worauf wir hinweisen müssen.“ Dadurch falle die anfallende Büroarbeit in die Notdienst- oder Abendstunden.

Das regionale Apothekensterben

„Zurzeit sterben hier in der Region viele Apotheken“, berichtet die Apothekerin. Für die Kolleginnen und Kollegen, die durch ihre Schließung Mehrarbeit erwartet, tut es ihr leid. „Die haben ja auch nicht mehr Personal als ich.“

Blume-Forst geht davon aus, dass ihre Apotheke nicht die letzte im Bezirk sein wird, die schließt. „Es wird weiter so gehen. In Lilienthal sind letztes Jahr zwei Apotheken geschlossen worden. In Worpswede eine dritte, in Hude. Das sind alles Apotheken, die in meinem Notdienstkreis liegen. Die Schließungen habe ich deutlich zu spüren bekommen“, berichtet die Inhaberin. „Es finden sich einfach keine Nachfolger.“

In Wilstedt hatte es seit den 1870er Jahren eine Apotheke gegeben. „Es gab nur eine Unterbrechung, dreizehn Jahre, bevor ich eröffnete. Wie lange es braucht, bis die Versorgungslücke nach mir wieder geschlossen wir, das steht in den Sternen. Mit dem Silvesternotdienst in diesem Jahr wird mein Betrieb allem Anschein nach schließen.“

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