Wilhelm Möhrke arbeitete fast 40 Jahre lang in der Sonnen-Apotheke im nordrhein-westfälischen Lengerich. Am vergangenen Wochenende ging diese Ära für ihn zu Ende, er hat den Apothekerberuf endgültig aufgegeben. In Rente geht der 64-jährige jedoch nicht: Im vergangenen Jahr wurde der parteilose Apotheker zum Bürgermeister gewählt.
Im Oktober nahm Möhrke sein Amt bei der Stadt auf. Vier Monate lang führte er parallel trotzdem noch seine Apotheke weiter. Das sei nur mit Hilfe eines ehemaligen Kommilitonen möglich gewesen, erklärte Möhrke. „Wochenenddienste habe ich zum Teil selbst übernommen.“ Aber einen Beruf neben dem Bürgermeisteramt auszuüben, lässt die Gemeindeordnung nicht zu, denn in Nordrhein-Westfalen sind Bürgermeister hauptamtlich beschäftigt. „Ich bin sowohl Vorsitzender des Stadtrats als auch Verwaltungsvorstand“, sagt Möhrke.
Sechs Monate Übergangszeit gewährte ihm die Gemeinde, um die Nachfolge seiner Apotheke zu regeln. Möhrke wollte die Apotheke ursprünglich an seinen Neffen weitergeben. Doch der Plan hatte sich zerschlagen. Damit suchte er einen anderen Käufer, was recht lang dauerte: „Eine Apotheke, die nur etwa eine Million Euro Umsatz im Jahr macht, hat es am Markt schwer.“
Schließlich fand sich aber ein Interessent: Ausgerechnet der „Konkurrent“, die Kooperation Migasa, die eine Apotheke nur 40 Meter von Möhrkes Apotheke entfernt betreibt, schlug zu. Die Sonnen-Apotheke gehörte zu Vivesco. Den Bürgermeister macht das betroffen: „38 Jahre habe ich meine Apotheke mühsam aufgebaut und immer dem Wettbewerb standgehalten.“
Der Abschied aus der Offizin fiel ihm nicht leicht, auch wenn der 64-Jährige seinen Ausstieg bereits geplant hatte. „Nun ging es eben etwas schneller, als erwartet“, sagt Möhrke. Sich von seinen langjährigen Mitarbeitern zu verabschieden, habe ihm besonders Leid getan. „Wenigstens werden sie übernommen“, sagt er. Zudem habe sich der Apothekerberuf in einer Art verändert, die ihm nicht gefalle. „Inzwischen sind wir in erster Linie Handlanger der Krankenkassen und nicht Helfer der Patienten.“
In die Gemeindearbeit habe er sich gut eingefunden, sagt Möhrke. Es helfe, dass er bereits 20 Jahre im Stadtmarketing aktiv gewesen sei. „Allerdings führe ich jetzt 280 Mitarbeiter, also deutlich mehr als in der Apotheke.“ In der Schulpolitik habe er erste Vorstöße gemacht. „Wir wollten eine Gesamtschule im Ort, doch das werden die Nachbargemeinden nicht akzeptieren“, sagt er. Es werde nun nach Kompromissen gesucht. Dafür habe er seit Jahresbeginn schon vier Ratssitzungen einberufen – normalerweise gebe es im Jahr sechs.
Schwierig sei es gewesen, die Ratsmitglieder hinter sich zu bringen. „Ich habe keine Partei im Rücken, die mich stärkt“, sagt Möhrke. Doch inzwischen habe er die Zustimmung der meisten Stadträte. „Aber ein Apotheker schafft es, andere für sich zu gewinnen“, sagt er.
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