Apotheker Wilhelm Möhrke hatte heute seinen ersten Arbeitstag – als Bürgermeister. Der Inhaber der Sonnen-Apotheke im nordrhein-westfälischen Lengerich wechselt von der Offizin ins Rathaus. Seine Apotheke muss er nun abgeben. Doch er ist sicher, dass er von seiner Apothekertätigkeit profitieren wird.
Möhrke stammt aus Lengerich und ist dem Ort seither treu geblieben. Nur für seine Ausbildung hat er die Stadt mit knapp 23.000 Einwohnern verlassen; Pharmazie studierte er im 30 Kilometer entfernten Münster. Danach ging es zurück: Mit nur 26 Jahren machte er sich mit der Sonnen-Apotheke in seinem Heimatort selbstständig.
Aus der Apotheke wird er sich nun, 37 Jahre später, zurückziehen. Denn das Bürgermeisteramt ist ein Vollzeitjob. Seit er die Wahl Mitte September gewonnen habe, stehe fest, dass er die Apotheke verkaufen oder verpachten müsse.
Derzeit werde er durch einen ehemaligen Kommilitonen vertreten, doch das könne nur begrenzt so weitergehen. „Aber ich bin zuversichtlich, dass ich bis Jahresende einen Nachfolger finden werde“, sagt Möhrke.
Bereits seit 20 Jahren engagiert sich Möhrke ehrenamtlich in der Stadtpolitik. Als erster Vorsitzender hat er den Stadtmarketingverein „Offensive Lengerich“ geleitet. „Dafür habe ich bis zu 20 Stunden pro Woche gearbeitet. Das war nebenbei kaum zu stemmen“, berichtet er. Er freue sich, dass er sich nun hauptamtlich für seine Heimatstadt engagieren könne.
Am Mittwoch hatte Möhrke seinen ersten Arbeitstag im Rathaus. Dabei habe er zunächst die knapp 15 Mitarbeiter des inneren Dienstes kennengelernt. Auch seinen Terminkalender habe er bekommen: „In der nächsten Woche habe ich pro Tag zwischen fünf und zehn Terminen“, sagt er.
Auf das Amt gehe er entspannt zu. „Ich denke, es ist wichtig, dass man authentisch bleibt“, sagt Möhrke. „Ich bin parteilos, also unabhängig. Ich will im Sinne Lengerichs handeln.“ In der Stichwahl hat er sich mit 67,5 Prozent der Stimmen gegen den SPD-Kandidaten Björn Schilling durchgesetzt. Das stärke ihn für sein Amt und auch für die Verhandlungen mit den Ratsmitgliedern, die durchweg einer Partei angehörten.
Auf Möhrkes politischer Agenda steht die Schulpolitik, er will die örtliche Gesamtschule erhalten. Außerdem will er den Tourismus in der Region ausbauen und den Einzelhandel in der Innenstadt stützen. „Das Internet und die Großmärkte am Stadtrand gefährden die kleinen Läden“, sagt Möhrke. Er kenne die Schwierigkeiten auch aus seiner eigenen Apotheke.
Möhrke ist überzeugt, dass ihm seine Erfahrung als Apotheker auch auf andere Weise im Amt zugute kommen wird. „Ich habe ein kleines Unternehmen geführt, kann mit Gesetzen und Menschen umgehen und aufgrund der Großhändler auch verhandeln“, zählt er auf. Er übernehme zwar nun eine sehr andere Tätigkeit, werde aber von seiner Arbeit als Apotheker profitieren.
Vermissen werde er die Apotheke schon, sagt Möhrke, besonders die Mitarbeiter und die Gespräche mit Stammkunden. Doch Aut-idem-Listen und ständig neue Verträge mit den Krankenkassen hätten ihm den Abschied erleichtert. Zu viel drehe sich mittlerweile um Geld: „Ich habe den Apothekerberuf damals gewählt, um einen sozialen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Doch inzwischen werden wir immer mehr zu Erfüllungsgehilfen der Krankenkassen“, kritisiert Möhrke.
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