Leere Spritzen ins Gesäß – Anklage und Berufsverbot Patrick Hollstein, 29.03.2022 10:58 Uhr
Ein Arzt aus Wemding im Landkreis Donau-Ries soll seine Patienten nur zum Schein gegen Corona geimpft haben. Die Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG) bei der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg hat beim Landgericht Augsburg Anklage erhoben.
Dem Arzt wird vorgeworfen, von Mitte April bis Ende September vergangenen Jahres in 314 Fällen eine Impfung lediglich vorgetäuscht zu haben. Dabei soll es sich um Erst- und Zweitimpfungen gehandelt haben. Insgesamt sollen 176 Patientinnen und Patienten betroffen sein.
Laut ZKG soll er allein mit den Patienten im Behandlungszimmer gewesen sein, die Beschäftigten sollen nicht anwesend gewesen sein. Nach Entleerung der von Praxismitarbeitern zuvor vorbereitenden Spritzen soll der Arzt den Patienten die Spritzen leer von hinten ins Gesäß gestochen haben, so dass diese den Impfvorgang nicht sehen konnten. Die Patienten sollen dies – mit einer Ausnahme – nicht bemerkt haben, so dass sie gutgläubig von einer Impfung ausgingen, tatsächlich aber keinerlei Antikörper gegen das Sars-CoV-2-Virus entwickelten. Im Anschluss soll der Arzt die angebliche Impfung in den Impfpässen dieser Patienten falsch dokumentiert haben.
Jeder Stich mit einer Spritze ins Gesäß stellt laut ZKG eine vorsätzliche Körperverletzung dar, weil die Einwilligung der Patienten unter der Bedingung stand, tatsächlich geimpft zu werden.
Impfnachweise für Impfgegner
Darüber hinaus soll der Angeschuldigte bei mindestens 40 anderen Patienten, die sich nicht gegen das Sars-CoV-2-Virus impfen lassen wollten, die Durchführung einer Impfung in deren Impfpässen bescheinigt haben, obwohl diese nie stattgefunden hatte. Dies soll unter Impfgegnern als „Schonimpfung“ bekannt gewesen sein.
In beiden Konstellationen soll er diese Impfungen falsch abgerechnet haben, wodurch der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) für das Quartal 2/2021 ein Schaden von mehr als 3000 Euro entstanden sein soll. Die ZKG strebt die Einziehung dieses Erlöses im Rahmen der Hauptverhandlung an.
Außerdem sind laut ZKG nach der Anklage die Voraussetzungen für die Anordnung eines Berufsverbots wegen grober Verletzung der mit seinem Beruf verbundenen Pflichten gegeben. Ein vorläufiges Berufsverbot wurde demnach bereits durch das Amtsgericht Nürnberg im Rahmen des Ermittlungsverfahrens verhängt.
Strafbar gemacht haben soll sich der Arzt wegen vorsätzlicher Körperverletzung, Betrugs und wissentlicher unrichtiger Dokumentation von Schutzimpfungen gegen das Coronavirus (§ 74 Abs. 2 IfSG).
Anzeigen aus der Bevölkerung
Anlass des Verfahrens waren mehrere Mitteilungen aus der Bevölkerung, dass der Angeschuldigte Verschwörungsmythen anhängen und Einträge in Impfpässen ohne Impfung vorzunehmen würde. Nach den vorliegenden Erkenntnissen soll er der Impfung gegen das Sars-CoV-2-Virus äußerst ablehnend gegenübergestanden haben.
Die vom Gesundheitsamt Donau-Ries in Zusammenarbeit mit der Kriminalpolizeiinspektion Dillingen (KPI) großangelegten und freiwilligen Reihentestungen unter Zuhilfenahme des Fachlabors des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit ergaben in den meisten Fällen keinen oder nur einen sehr geringen Antikörpernachweis.
Das Verfahren wurde ursprünglich von der Staatsanwaltschaft Augsburg geführt. Durch die ZKG wurde es hinsichtlich des jetzt angeklagten Arztes wegen des Betrugsvorwurfs übernommen. Die Staatsanwaltschaft Augsburg führt weiterhin die Ermittlungen gegen die Patienten, denen vorgeworfen wird, keine Impfung gewollt zu haben, und die gewusst haben sollen, dass ihnen falsche Impfbescheinigungen ausgestellt werden. Mit den polizeilichen Ermittlungen die KPI Dillingen mit einer eigens gegründeten Ermittlungsgruppe betraut. Der Arzt hat sich bislang nicht zur Sache eingelassen.