Kein Rückgang bei HIV-Neuinfektionen dpa, 09.11.2015 14:18 Uhr
Medikamente und Aufklärung machen sich kaum bemerkbar: Die Zahl der HIV-Neuinfektionen bleibt nach jüngsten Schätzungen unverändert. Das hat mehrere Gründe.
Etwa 3200 Menschen haben sich nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts (RKI) im vergangenen Jahr mit HIV angesteckt. Damit ist die Zahl der Neuinfektionen trotz Aufklärungskampagnen und Medikamenten seit 2006 nahezu unverändert, wie das RKI mitteilte.
Dabei stieg der Anteil der Infizierten, die Medikamente nehmen und dadurch in der Regel kaum noch ansteckend sind, in den vergangenen Jahren. „Dieser positive Effekt und die bisherigen Präventionsanstrengungen haben aber bislang nicht ausgereicht“, sagte RKI-Präsident Professor Dr. Lothar Wieler.
Die RKI-Schätzung beruht auf Modellrechnungen, denn HIV wird oft erst Jahre nach der Infektion festgestellt. Die Zahl der Neuinfektionen bei heterosexuellen Menschen ist demnach sogar leicht steigend. Die meisten Betroffenen sind allerdings Männer, die Sex mit anderen Männern haben – wenngleich die Zahl neuer Infektionen in dieser Gruppe in den vergangenen Jahren leicht zurückgegangen ist.
Nach Erkenntnissen des RKI gibt es in Deutschland 10.500 Infizierte durch heterosexuellen Geschlechtsverkehr. Dem gegenüber stehen 53.800 infizierte homosexuelle Männer. „Die Zahl der Neuinfektionen in Deutschland ist im europäischen Vergleich niedrig, könnte aber noch sinken“, erklärte Ulf Hentschke-Kristal vom Vorstand der Deutschen Aids-Hilfe. Dazu müsse unter anderem die Präventionsarbeit ausgebaut werden.
Als Grund für die unveränderte Zahl der Neuinfektionen nannte Hentschke-Kristal auch Scham und Angst. „Vor allem Angst vor Diskriminierung und der Glaube, mit HIV sei ein erfülltes Leben nicht mehr möglich, halten Menschen vom HIV-Test ab.“ Dem RKI zufolge trägt zudem ein geringeres Risikobewusstsein vor allem bei Heterosexuellen dazu bei, dass eine Diagnose erst spät gestellt wird.
Die Schätzungen zu neuen Infektionen sind nicht zu verwechseln mit der Zahl der Neudiagnosen, bei denen HIV tatsächlich festgestellt wird. Das passiert in der Regel später, da HIV über viele Jahre keine auffälligen Beschwerden verursacht. Neu diagnostiziert wurde das Virus im vergangenen Jahr bei 3525 Menschen – 7 Prozent mehr als im Vorjahr.
Eine Ursache für den Anstieg könnte der Deutschen Aids-Hilfe zufolge auch die steigende Zahl von Flüchtlingen sein. „Ein großer Teil von ihnen stammt aus Ländern, in denen HIV besonders häufig ist“, teilte die Deutsche Aids-Hilfe zu den bereits im Juli veröffentlichten Zahlen mit. Die Übertragung habe meistens im Herkunftsland stattgefunden. Das Humane Immunschwächevirus (HIV) ist die Ursache für die Immunschwächekrankheit Aids.