Lachgas bei Vitaminherstellung: Lonza wird zum Klimasünder APOTHEKE ADHOC, 13.02.2020 08:57 Uhr
Der Schweizer Pharmazulieferer Lonza drückt spürbar auf die Klimabilanz der Eidgenossenschaft. Ein Leck in der Produktion des Vitamins Niacin in Visp ist verantwortlich für 1 Prozent der Treibhausgasemissionen der gesamten Schweizer Industrie, wie das Bundesamt für Umweltschutz (BAFU) am Montag bekanntgab. Lonza muss jetzt mehrere Millionen Euro in einen Katalysator investieren.
Der Klimawandel ist in den Alpen deutlicher zu spüren als im Flachland. Vielleicht auch deshalb will die Schweiz ihre Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll einhalten und ihre Treibhausgas-Emissionen verringern: 15,8 Prozent weniger als 1990 sollen es dieses Jahr werden. Doch die Industrie stößt mehr aus als sie nach dieser Selbstverpflichtung dürfte: Um 600.000 Tonnen CO2-Äquivalente (CO2-eq) höher als bisher angenommen liegen die Treibhausgasemissionen des Schweizer Industriesektors.
Am Montag gab das BAFU bekannt, wo der Überschuss herkommt: Genau diese 600.000 Tonnen CO2-eq stößt das Pharmaunternehmen Lonza in Visp bei der Produktion des Vitamins Niacin aus. Niacin gehört zur Gruppe der wasserlöslichen B-Vitamine und ist im menschlichen Körper ein wichtiger Baustein der beiden Co-Enzyme NAD und NADH. Es wird deshalb oft in Nahrungsergänzungsmitteln oder Kombipräparaten verwendet – bei seiner synthetischen Herstellung entsteht jedoch auch Lachgas. Und das ist um ein vielfaches klimaschädlicher als beispielsweise CO2. Lonza zufolge macht es 6 Prozent der weltweiten Treibhausgase aus.
Allerdings ist Niacin nicht in der Schweizer Luftreinhalte-Verordnung geregelt. Deshalb, so das BAFU, hat Lonza die Produktion auch nicht nach möglichem Lachgas-Ausstoß untersucht – bis 2018. Da war der Ausstoß des Gases bei einer Kontrollmessung aufgefallen. Lonza hatte sich mit den Werten an die BAFU gewendet, die erst einmal ein Gutachten dazu in Auftrag gab. Da der Verursacher feststeht, ist auch klar, wer für die notwendigen Maßnahmen aufkommen muss: Lonza hat sich gegenüber dem BAFU verpflichtet, bis kommendes Jahr einen Katalysator einzubauen, der den Lachgasausstoß um 98 Prozent verringert. Der kostet allerdings auch 12 Millionen Franken (11,3 Millionen Euro).
Teuer wird die Angelegenheit aber auch für den Schweizer Staat. Denn die 600.000 Tonnen an zusätzlichen CO2-eq müssen voll ausgewiesen werden – die Schweiz muss deshalb, um ihre Klimaziele noch zu erreichen, Emissionszertifikate hinzukaufen. Insgesamt kauft die Eidgenossenschaft über die Stiftung Klimarappen ausländische Zertifikate im Wert von 5 Millionen Tonnen CO2-eq. Und da die Schweiz sich als Vorreiter beim Klimaschutz sieht, hat sie in ihrer eigenen Gesetzgebung sogar ein noch ambitionierteres Ziel festgelegt: Im sogenannten CO2-Gesetz ist ein „nationales Verminderungsziel“ von 20 Prozent im Jahr 2020 festgeschrieben. „Dieses Ziel, das ausschließlich mit Maßnahmen im Inland erreicht werden muss, verschärft sich nun um 600'000 Tonnen CO2-eq“, so das BAFU.