Apotheker entwickelt Avatar

Künstliche Intelligenz: Hilfestellung im Notdienst

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Berlin -

Antibiotika-Verordnungen stellen die Apotheker:innen auch im Notdienst häufig vor Herausforderungen, die Lieferengpässe kommen erschwerend hinzu. Den Wunsch, auch nachts schnell jemanden bezüglich Austauschbarkeit und Dosierung fragen zu können und nicht erst mühsam Bücher wälzen zu müssen, bevor Arzt oder Ärztin eine Alternative präsentiert werden kann, hat Sascha Langer, Apotheker und Informatiker, schon länger. Vor vier Jahren begann er deshalb damit, eine Künstliche Intelligenz (KI) so zu trainieren, dass irgendwann in den Apotheken eine solche Möglichkeit zur Verfügung stehen könnte.

„Im Notdienst habe ich häufig Anfragen von Ärzt:innen und Patient:innen bezüglich Antibiotika bekommen: Welche Alternativen kann ich geben, wenn das verordnete Antibiotikum nicht da ist?“ Aktuell stellt sich die Frage deutlich häufiger, da viele Arzneimittel nicht lieferbar sind. „Das Nachschauen bedeutet immer sehr viel Aufwand“, so der Apotheker, „da habe ich mir schon oft gewünscht, einfach ein Heinzelmännchen fragen zu können.“

Per Fernstudium studierte der Pharmazeut auch Informatik, „dann habe ich mal ein bisschen programmiert und probiert“, erzählt er. Sein Ziel ist es, „eine Datenbank in Form eines Avatars zur intuitiven Abfrage zu schaffen“ – einen Namen hat dieser Avatar-Gedanke auch schon: Hans Peter Merkur. „Hans Peter ist für mich so der klassische Apotheker, Merkur stellt für mich einen Bezug zur Chemie her, mit der die Pharmazie ja eng zusammenhängt“, so Langer über die Namenswahl.

„Die Datenbank kann man sich vorstellen wie einen Raum, in dem Worte an festen Koordinaten in der Luft schweben“, verbildlicht Langer dies. Diesen Würfel könne man auch „durchfliegen“ und sich die Verknüpfungen anschauen, die die KI gebildet hat. Durch die Einspeisung von weiteren Daten kommen neue Verknüpfungen hinzu, es werden aber auch Verknüpfungen wieder aufgelöst, wenn die KI durch die neuen Daten Fehler feststellt. „Eine erste Auswertung soll bis Mitte Sommer fertig sein“, sagt Langer. Aktuell geht es nur um Antibiotika, weitere Projekte zum Beispiel zu Schmerzmitteln und Psychopharmaka seien aber schon in Planung.

10.000.000 Worte

„Für die Erstellung einer solchen Datenbank werden sehr viele Daten benötigt“, so Langer, es reiche nicht aus, ein einzelnes Buch einzuspeisen. Es bedürfte wirklich vieler Daten und es sei schwierig, diese zu erlangen. In sein aktuelles Projekt zu Antibiotika habe er inzwischen zehn Millionen Worte eingespeist – das klingt nach einer ganzen Menge, sei aber vergleichsweise eine kleine Anzahl, so der Apotheker. „Aber das war schon sehr mühsam“, erzählt er. Mit den gesammelten Worten erstellt man eine „Trainingsdatenbank“ für die KI, auf diese können dann verschiedene Algorithmen angewendet und so die KI zu verschiedenen Themen trainiert werden. Dadurch sortiert die KI die Begriffe, sodass den Antibiotika zum Beispiel die entsprechenden Indikationen zugeordnet werden.

Grundlagen verstehen

Auch an ChatGPT, der KI von Microsoft, hat Langer großes Interesse, „die scheint sehr beeindruckend zu sein“, so der Apotheker. „Ich würde gerne mal testen, wie weit Microsoft ist, leider ist der Dienst aber aktuell immer überlastet“. Die Ressourcen, die der Konzern habe, seien natürlich nicht mit den Kapazitäten des Apothekers zu vergleichen, aber er wünscht sich, „dass wir als Heilberufler:innen denen das Feld nicht ganz überlassen.“ So könne man sich zumindest mal mit den technischen Grundlagen befassen, um die Technik dahinter zu verstehen.

Er habe zu dem Projekt auch schon mit zwei Universitäten gesprochen, „wir haben jetzt einen Basisvortrag für Studierende geplant“, so der Informatiker. „Langsam kann ich auch endlich was zeigen“, so Langer. Zuvor hatte er sein Projekt zwei Jahre als Blog begleitet, „das Thema ist aber einfach zu komplex für eine schriftliche Begleitung“, so Langer weiter, deshalb steige er jetzt in naher Zukunft auf eine Videoplattform um. Dort möchte er Grundlagenvideos zu Verfügung stellen, in denen Interessierte einen Einblick in die Hintergründe des Projektes oder die Erstellung eines „Data Lake“ bekommen, aber auch gemeinsam mit Langer „durch den Datenwürfel fliegen“ können.

„Ein sprechendes Buch"

Aktuell liege die Trefferquote von Langers Projekt bei etwa 95 Prozent, „die Fehlerquote ist noch viel zu hoch“, sagt er selbst darüber, für mehr Sicherheit seien noch viel mehr Daten erforderlich. Man sollte sich allerdings auch bei einer Trefferquote von nahezu 100 Prozent nicht komplett auf die KI verlassen, so der Informatiker. „Es gibt auch Fehler in Lehrbüchern, das bleibt nicht aus. Menschen machen Fehler und auch die KI ist nicht fehlerfrei. Man muss lernen, damit umzugehen und auch die KI immer kritisch zu bewerten.“ Letztendlich soll diese nur ein Werkzeug sein – „wie ein Buch, das mit mir sprechen kann.“

Hilfestellung statt Ersatz

„Ich glaube, dass die KI-Modelle die nächsten zehn bis 20 Jahre auf jeden Fall nur einen Hilfestellungscharakter haben werden“, so Langers Prognose, auch sollen damit in seinen Augen später die Heilberufe nicht ersetzt werden, es sei eher als eine kluge Datenbank zu sehen. Auch müsse man weiterhin die rechtlichen Rahmenbedingungen einhalten, „aktuell tut sich da viel auf EU-Ebene“, so Langer. „Natürlich sind bei der weiteren Entwicklung von Künstlicher Intelligenz auch Gefahren gegeben, dann wären Auflagen erforderlich, um sie der Allgemeinheit zur Verfügung stellen zu können.“ Vor kurzem hatte die Kanzlei Vorberg in einem offenen Brief an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für eine Überprüfung plädiert, ob ChatGPT durch seine Funktionalität einem Medizinprodukt entspreche.

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