Tatort: Apotheke. Ermittler: Sie. Im Rahmen des jährlichen Krimifestivals im Landkreis Gießen liest Schauspieler Christian Lugerth gleich in zwei Apotheken Kurzkrimis vor. Damit verwandelt er die Offizin für einen Abend in eine Theaterbühne.
Miträtseln mussten die Gäste am vergangenen Montag bei der Krimilesung in der Dürer-Apotheke Gießen. Die Apotheke war in diesem Jahr das erste Mal Veranstaltungsort des Festivals von Organisator Uwe Lischper. „Es war sehr interessant, die Offizin einmal völlig ohne Aufsteller zu sehen und dort zu sitzen, wo sonst Regale stehen“, beschreibt Filialleiterin Bettina Baums die besondere Atmosphäre des Lesungsabends.
„Wir wollten zeigen, dass eine Apotheke nicht mit Krankheit gleichzusetzen ist“, erklärt Baums einen Grund für die Teilnahme an der Veranstaltung. „Auch unterhaltsame Erlebnisse können zu Apotheken gehören.“ Sie habe zudem den Abend genutzt, um benachbarte Ärzte in die Offizin einzuladen.
Fünf Kurzkrimis aus dem Buch „Kommissar Eddi Schmitz ermittelt – Bildnis einer Toten“ von Andreas Franz und Jan Gardemann hat Theaterschauspieler Christian Lugerth vorgetragen. Die Geschichten um den Ermittler Eddi Schmitz und seinen Assistenten Giovanni Herodes bezogen die 80 Zuhörer direkt mit ein: Als Hobbykommissare mussten sie den Mörder und die Mordmethode herausfinden.
„Es war eine tolle Veranstaltung, allerdings auch eine Menge Arbeit: Ich habe zum Beispiel mit einer Apotheken-A-Ausstechform für alle Gäste Käseplätzchen gebacken“, sagt Baums. Darüber hinaus habe sie mit den Mitarbeitern die Offizin ausgeräumt. Dabei musste sie auf den Datenschutz achten: „Wir sind ja kein Schuhgeschäft. Daher habe ich dafür gesorgt, dass empfindliche Bereiche für die Besucher nicht zugänglich waren“, berichtet sie.
Lugerth wird am 17. Oktober um 19.30 Uhr nochmals in einer Apotheke lesen. In der Engel-Apotheke in Laubach wird er Krimis aus dem Buch „Sport ist Mord“ zum Besten geben. Der Eintritt kostet sieben Euro. „Die Engel-Apotheke nimmt schon seit 2008 am Krimifestival teil“, berichtet Inhaber Fritz Rossbach. Unter seinem Vater sei die Kooperation mit Veranstalter Lischper zustande gekommen. Um eine gewisse Verbindung zur Apotheke herzustellen, würden meist Giftmorde vorgelesen.
Auch Rossbach trifft vor der Lesung einige Vorbereitungen: Der Raum muss umgeräumt werden, so dass die 50 von der Stadt gestellten Stühle darin Platz finden. Zudem baut Rossbach eine Lautsprecheranlage auf. Auch während der Lesungen ist der Apotheker mit Organisatorischem beschäftigt: „Wir lassen verspätete Zuhörer ein, machen Fotos, regeln den Ton und reichen danach Sekt.“
Rossbach selbst findet es am faszinierendsten, wenn Schauspieler die Krimis vorlesen und so die Offizin kurzzeitig in eine Theaterbühne verwandeln. Besonders beeindruckt habe ihn im vergangenen Jahr die Schauspielerin Petra Soltau mit ihrem sprachlich perfekten Vortrag des Krimis 'Stirbwohl' von Gesa Gauglitz. Aber auch als vor sieben Jahren zwei Rechtsmediziner Fälle aus dem „echten Leben“ geschildert hatten – wiederum vor allem Vergiftungsfälle – sei das unheimlich spannend gewesen.
Dem Veranstalter Uwe Lischper kam die Idee zum Krimifestival für den Kreis Gießen, nachdem er eine ähnliche Veranstaltung in Marburg besucht hatte. Lischper sieht in der Krimilesung in einer Apotheke einen reizvollen Widerspruch: „Eine Funktion der Apotheken ist es, Menschenleben zu retten. Da liegt es nahe, in einer Apotheke genau das Gegenteil zu präsentieren – nämlich den gewaltsamen oder heimtückischen Tod“, erklärt er. Er übernimmt für die Veranstaltungsorte die Auswahl des Krimis und des Vorlesers sowie das Marketing. Dafür erhält er von den Inhabern ein „Sponsoring“ – eine Bezahlung.
Im vergangenen Jahr wurden die 42 ausverkauften Vorführungen von knapp 10.000 Zuhörern besucht. In diesem Jahr rechnet Organisator Lischper mit mehr als 11.000 Besuchern für die insgesamt 49 Veranstaltungen.
APOTHEKE ADHOC Debatte