Der Anstieg erfasster Schilddrüsenkrebs-Fälle in mehreren Industrieländern geht nach Ansicht von Experten zu einem großen Teil auf Überdiagnosen zurück. Die Internationale Krebsforschungsagentur IARC schätzt, dass in zwölf betrachteten Ländern innerhalb von zwei Jahrzehnten bei mehr als einer halben Million Menschen Tumore festgestellt wurden, die vermutlich zu Lebzeiten keine Beschwerden hervorgerufen hätten. Bei der großen Mehrheit dieser Fälle werde die gesamte Schilddrüse entfernt, erklärte Studienautorin Dr. Silvia Franceschi.
Die Studie wurde im „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht, Daten aus Deutschland bezogen die Wissenschaftler nicht ein. Extremstes Beispiel der Auswertung ist Südkorea, wo von 2003 bis 2007 etwa 90 Prozent der Schilddrüsenkrebs-Fälle bei Frauen Überdiagnosen gewesen sein sollen. Aber auch die USA, Italien und Frankreich sind dem Bericht zufolge stark betroffen. Die Experten führen die Entwicklung auf neue Untersuchungstechnik und mehr Vorbeuge-Untersuchungen zurück.
Das Problem wurde in den vergangenen Jahren immer wieder diskutiert, US-Mediziner hatten deshalb etwa bereits im Jahr 2013 in einer Studie strengere Ultraschallkriterien vorgeschlagen. Die IARC-Experten raten in ihrem Artikel zu Vorsicht gegenüber systematischen Screening-Programmen für Schilddrüsenkrebs. Zudem sei eine sorgfältige Beobachtung möglicherweise eine bessere Lösung für Patienten, bei denen Tumore mit niedrigem Risiko entdeckt werden.
Die IARC ist eine Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit der Hauptaufgabe, die Erforschung von Krebsursachen weltweit zu koordinieren.
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