„Kopftuch weg – sonst Kunde weg“ Deniz Cicek-Görkem, 14.04.2017 08:18 Uhr
Kopftuch und Kittel: Manche Apothekenkunden stellen sich quer, diese Kombination zu tolerieren. So wie kürzlich in einer Apotheke im westfälischen Herdecke, wo sich ein Kunde an der Kleidung der Mitarbeiterin gestört und sich deshalb per Mail bei der Inhaberin beschwert hatte. Die Apothekerin unterstützte ihre Angestellte und entschied sich für eine öffentliche Antwort in der Lokalpresse.
Silvia Renkl ist Inhaberin zweier Apotheken und erhielt neulich ein Schreiben, das bei ihr Verwunderung auslöste: Er könne es nicht akzeptieren, wenn die Mitarbeiterin „demonstrativ“ ein Kopftuch trage und somit die Integration verweigere, schrieb ihr ein Kunde. Er fühle sich „bedrängt“ und könne „keine Demonstration von Glaubenszugehörigkeiten im öffentlichen Raum“ akzeptieren. Auch wenn es in der Gesellschaft „langsam, aber sicher einen Stimmungsumschwung“ gebe: „Gerade in einer Apotheke erwarte ich Neutralität“, schrieb er.
Da der Kunde das Thema in den öffentlichen Netzwerken verfolgen wollte, wandte sich die Apothekerin an die Westfalenpost, um den Vorfall publik zu machen. „Mir war eine sachliche Antwort mit Fakten sehr wichtig“, sagt Renkl. Sie könne die Vorwürfe nicht nachvollziehen, schrieb Renkl. Denn die betroffene PTA sei deutsche Staatsbürgerin und zudem keine Verweigerin der Integration. Ganz im Gegenteil: „Sie fördert sie, indem sie mit ihren zusätzlichen Sprachkenntnissen immer wieder Brücken für hilfesuchende Menschen baut“, argumentiert die Inhaberin. Angesichts der Tatsache, dass auch muslimische Flüchtlinge die Apotheke aufsuchten, optimiere die arabischsprachige Mitarbeiterin die pharmazeutische Betreuung dieser Kunden.
Zuvor hatte Renkl eine syrische Schülerpraktikantin mit religiöser Kopfbedeckung beschäftigt, bald werde eine irakische Praktikantin das Team unterstützen. Die Apothekerin plädiert für Freiheit: „Unser Grundgesetz garantiert neben dem Recht auf freie Meinungsäußerung auch das Recht auf freie Religionsbekenntnis“.
Die Beschäftigung von Mitarbeiterinnen mit Kopftuch sei für sie unproblematisch, denn sie schätze eher Qualitäten wie pharmazeutische Betreuung und Umgang mit Kunden. „Meine PTA ist stets freundlich und berät hervorragend“, sagt sie. Auf die Beschwerdemail habe die Mitarbeiterin gelassen reagiert, so Renkl. Sowohl Kollegen als auch Kunden unterstützten sie in der Situation und seien fassungslos.
„Die Begegnung mit verschiedener Kulturen ist nicht nur auf Urlaubsreisen eine Bereicherung, sondern ausdrücklich auch in der täglichen Arbeit hier vor Ort“, führt die Pharmazeutin an. Renkl zufolge wird es künftig mehr Mitarbeiterinnen mit religiösen Kopfbedeckungen in der Apotheke geben, da die Offizin eine Frauendomäne sei. Eine Diskriminierung von Angestellten komme für die Geschäftsfrau nicht infrage: „Wir setzen und für Toleranz und Integration ein“, sagt sie.
Die Apothekerin will sich von ihrem Standpunkt nicht abbringen lassen – auch wenn der Kunde in der E-Mail unmissverständlich gefordert hatte: „Neutrales Verhalten und Kopftuch weg – ansonsten Kunde(n).“