Eine falsche Empfehlung Alexander Müller, 12.03.2014 15:22 Uhr
Über den Sinn von Kombipräparaten kann man streiten. Ob nur den Skandaljägern von „Frontal21“ oder auch dem Kunden geholfen ist, wenn dieser am Ende mehrere Einzelpräparate gegen seine Erkältung kauft, ist auch eine spannende Frage. Die Frage, ob Gerd Glaeske ein objektives Verhältnis zu seinem Berufsstand hat, darf als beantwortet gelten. Aber in einem Punkt hat der pharmazeutische Gesundheitsökonom recht.
Glaeske kritisiert, dass Procter & Gamble seine Erkältungskeule Wick Medinait mit einer Empfehlung der Apothekerschaft bewerben darf. Das ist in der Tat kritisch, weil beim Verbraucher schnell ein falscher Eindruck entstehen kann. So wie die Werbung angelegt ist – von der sich laut Glaeske sogar die Apotheker selbst beeinflussen lassen – liegt diese Vermutung sogar nahe.
Ob Wick Medinait wirklich für eine Mehrzahl der Apotheker das Mittel der Wahl ist, ist nicht bekannt. Die Werbeaussage steht jedenfalls auf wackeligen Beinen: Gerade einmal 300 Apotheken füllen für den Splitterverband BVDA einen Fragebogen aus, welche Präparate sie häufig empfehlen werden, Mehrfachnennungen sind möglich. Der Verband zählt die Striche zusammen und informiert die Hersteller über ihr Abschneiden.
Der BVDA behauptet, die Hersteller müssten nichts dafür bezahlen, mit der Auszeichnung „Medikament des Jahres“ zu werben. Das wäre zumindest unüblich. Umso fraglicher wäre dann, warum der Verband die Werbung überhaupt zulässt.
Wick ist bei weitem nicht der einzige Hersteller, der sich die Nadel ans Revers steckt: Wobenzym ist Medikament des Jahres in der Kategorie „Antitraumatika“, Tetestept das Erkältungsbad, Pantovigar das Haarwuchsmittel, Nasivin das topische Schnupfenmittel und Contractubex das Narbenmittel des Jahres. In der Kategorie „Passionsblumen-Präparate“ hat das Passionsblumen-Präparat Lioran gewonnen.
Kompromittiert durch diesen vermeintlichen Ritterschlag wird der Rest des Berufsstands, aber auch seine Standesvertretung: Die meisten ZDF-Zuschauer werden nicht zwischen der ABDA und dem BVDA unterscheiden können. Offenbar kann oder will „Frontal21“ das auch nicht.
Die im Beitrag keimende Hysterie ist dann aber doch ein bisschen zu viel des Guten. Oder glauben Sie, dass alle Zahnärzte wirklich diese oder jene Zahnpasta empfehlen oder dass alle Promis neuerdings Opel fahren?