Kommentar

Todesurteil „mangelhaft“ Alexander Müller, 26.08.2016 10:47 Uhr

Berlin - 

Die Werbung übertreibt gern und selbst Blogs und Foren sind mittlerweile von gekauften Einträgen unterwandert. Deshalb ist es gut, wenn man vor einer größeren oder auch kleineren Anschaffung einen unabhängigen Rat einholen kann. Die meisten von uns vertrauen auf das Urteil von Stiftung Warentest, zu Recht. Dass das Image der Verbraucherschützer zuletzt etwas gelitten hat, unterstreicht die Bedeutung der Stiftung. Ein Kommentar von Alexander Müller.

Die Testergebnisse sind für die Hersteller von immenser Bedeutung. Die Prädikate „sehr gut“ oder „Testsieger“ werden in der Werbung genutzt und können den entscheidenden Vorteil gegenüber der Konkurrenz bringen. Ein „mangelhaft“ auf der anderen Seite oder die Warnung vor möglichen Gesundheitsgefahren kann ein Produkt vernichten und die Herstellerfirma in ernste Schwierigkeiten bringen. Mit Abstrichen gilt dasselbe für Öko-Test.

Auch die Apotheker werden in regelmäßigen Abständen von Stiftung Warentest unter die Lupe genommen. Dabei geht es nicht um Grenzwerte von Inhaltsstoffen, sondern meist um die Beratung zu Wechselwirkungen, den Service und den Preis des Warenkorbs. Einmal wurden sogar Versandapotheken mit Mitgliedern von Apothekenkooperationen verglichen.

Während die Kindersitze, Matratzen oder Haushaltsgeräte nach wissenschaftlichen Kriterien im Labor untersucht werden, kranken die Apothekentests an meist recht kleinen Stichproben und relativ weichen Faktoren. Selbst der Preisvergleich ist sehr tagesform- und produktabhängig und hat damit wenig Aussagekraft.

Deutlich regelmäßiger sind die Apotheker indirekt betroffen: Wenn die Stiftung OTC-Produkte oder Kosmetik aus der Apotheke testet. Denn gegenüber Kunden müssen sich die Apothekenteams dann gegebenenfalls rechtfertigen, warum sie dieses oder jenes „mangelhafte“ Produkt überhaupt noch empfehlen. Apotheker und PTA tun also gut daran, die aktuellen Tests zumindest zu kennen, um darauf reagieren zu können.

Regelmäßig stehen die Tester selbst in der Kritik. Der Schokoladenhersteller Ritter Sport hat sich zuletzt vor Gericht erfolgreich gegen ein negatives Testergebnis durchgesetzt – das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Auch in anderen Fällen gab es Kritik an den Methoden. Und das sind nicht immer nur enttäuschte Hersteller, die ihre Produkt nicht öffentlich diffamiert sehen möchten.

Experten anderer Institute werfen der Stiftung vor, Grenzwerte teilweise weit unterhalb der gesetzlichen Vorgaben anzusetzen und heute viel strenger zu testen als früher. Schnell würden dann vermeintliche Gesundheitsgefahren kommuniziert, die Verbraucher unnötig verunsichern würden. Die Stiftung hält dagegen, dass Grenzwerte häufig von den EU-Behörden festgelegt würden – und ihre Entstehung entsprechend den Lobbyeinflüssen der Industrie ausgesetzt sei.

Auch Öko-Test ist immer wieder Kritik ausgesetzt. Beispielsweise erhielt der Hersteller Weleda für seine „Calendula-Zahncreme“ eine Abwertung, weil kein Fluorid enthalten ist. Das ist jedoch laut Hersteller eine ganz bewusste Entscheidung, um eine Alternative zu bieten. Denn in einigen Ländern werde dem Trinkwasser bereits Fluorid zugesetzt. Die Industrie bemängelt bei Ökotest außerdem, dass eine einzige schlechte Note in einer Kategorie den Gesamtwert übermäßig beeinflusst. Bei Öko-Test sei es zudem das Ziel, eine möglichst breite Spreizung bei den Ergebnissen zu erzielen, um den Test besser vermarkten zu können.

Trotzdem werden die Siegel oft von denen genutzt, die gut abgeschnitten haben. Für die Werbung mit der Warentest-Note kassiert die gemeinnützige Firma RAL für die Stiftung seit einigen Jahren etwa 10.000 Euro, dann aber ohne TV und Kino. Wer auch dort sein Ergebnis zeigen möchte, muss 25.000 Euro auf den Tisch legen. Öko-Test kassiert ebenfalls für die Verwendung des Logos.

Unter dem Strich ist das Vertrauen in die Testergebnisse in der Bevölkerung immer noch sehr hoch. Und niemand unterstellt der Stiftung, insgesamt schlechte Arbeit zu leisten. Doch gerade weil jedes einzelne Testergebnis zum Todesurteil für das abgewertete Produkt sein kann, müssen die Ansprüche an die Tester besonders hoch sein. Ein „gut“ reicht da nicht aus.

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