Ein Nachmittag im Sommer im Freibad reicht aus, um das Offensichtliche wahrzunehmen: Viele Menschen hierzulande sind zu dick, darunter auch viele Kinder. Zwar fühlt man sich wie Früher-war-alles-besser-Nörgler, wenn man über die natürliche Fitness früherer Kindergenerationen philosophiert, aber der Trend beim Durchschnitts-BMI spricht eine deutliche Sprache. Deshalb ist es richtig, dass sich ein Magazin für Kinder aus der Apotheke mit dem Thema befasst – aber bitte nicht so wie Medizini.
„Wie zufrieden bist du mit deiner Figur?“ fragt Medizini die 5- bis 12-jährige Leserschaft. Abgebildet ist ein skeptisch blickendes Mädchen vor einem Spiegel – ein falscher Fokus in der Umschau. Die ganze „Teste dich!“-Rhetorik und Typbestimmung erinnert doch eher an die „Cosmopolitan“ als an gesundheitliche Aufklärung. Ein Test mit der Zielrichtung, sich nicht so viel zu vergleichen, ist einigermaßen paradox.
Der Wort & Bild Verlag argumentiert, man habe das Bewusstsein dafür schaffen wollen, „dass zu viel Beschäftigung mit dem eigenen Körper schädlich sein und zum Beispiel Krankheiten wie Magersucht begünstigen kann“. Das ist eine Erklärung, aber der Weg zum Ziel über einen Selbsttest bleibt fragwürdig. Und das Mädchen auf dem Bild sieht nicht unbedingt magersüchtig aus. Der Test zielt vielfach auch in eine andere Richtung, zum Problem Übergewicht.
Das Argument, Kinder heute seien anders und der Druck auf dem Schulhof viel größer, verfängt nicht. Dicke Kinder wurden schon immer gehänselt; vermutlich nicht weniger in Zeiten, als sie die Ausnahme auf dem Pausenhof waren. Diesen Kindern war und ist nicht mit der Aufforderung geholfen, sich nicht zu viel mit ihrem Körper zu beschäftigen.
Medizini richtet sich also nach eigenem Bekunden an Jugendliche, die sich ungesund dünn hungern. Unbestritten ist auch das ein aktuelles Problem. Aber man sollte sich nichts vormachen: Wer schon in seiner Kindheit mit Magersucht zu kämpfen hat, ist in seinem Körperbewusstsein solchen Zufriedenheitstests psychologisch längst entwachsen.
Zumindest hat der Wort & Bild Verlag geschafft, das Thema breit zurück in die öffentliche Diskussion zu bringen. Das wäre mit einem Beitrag über gesunde Ernährung sicherlich nicht gelungen, auch wenn das inhaltlich besser gewesen wäre. Es ist ein schmaler Grat.
Der Umgang mit dem eigenen Körper beginnt beim Essverhalten. Und das wird – viel stärker als andere Lebensbereiche des Kindes – zu Hause geprägt. Hier sind die Eltern in der Pflicht – in beide Richtungen: Sie wollten auf eine ausgewogene Ernährung achten, aber auch nicht selbst vermeintlichen Schönheitsidealen nacheifern oder das Kind in ihren eigenen Fitnesswahn hineinziehen.
Wenn hier etwas nicht stimmt, kann auch Medizini kaum helfen. Die Aufregung um den Beitrag ist sicherlich zu hoch gekocht und bei manchem Apotheker vielleicht auch Ventil für das tägliche Unwohlsein, die Hefte des Verlags gratis an die undankbare Kundschaft verteilen zu „müssen“. Aber vollkommen aus der Luft gegriffen ist die Kritik deshalb nicht: Es ist gefährlich, Kinder so früh für das Thema Figur zu sensibilisieren.
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