Schließung nach 26 Jahren

Klagelied einer leeren Apotheke

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Berlin -

Apothekerin Karin Mödl aus Aystetten nahe Augsburg liebt ihren Beruf, ausführliche Beratung ist für sie das Lebenselixier der Offizin. Ihre Kunden haben es ihr langfristig nicht gedankt und kauften lieber in Augsburg ein. Dazu gesellte sich des Apothekers Tod in Form von Fachkräftemangel. Jetzt muss sie nach 26 Jahren ihre Schloss-Apotheke schließen.

Das idyllische Aystetten liegt elf Kilometer vor den Toren Augsburgs. Zur Autobahn Richtung München sind es nur drei Kilometer. Für Menschen, die in der Stadt mehr verdienen oder dort noch schnell etwas einkaufen möchten, ist das eine Verlockung. Langfristig betrachtet haben diese beiden Punkte der Schloss-Apotheke das Genick gebrochen.

Obwohl Mödl lange gekämpft hat. „Ich bin Apothekerin aus Leidenschaft“, sagt die 54-Jährige. Und fügt hinzu: „Und ich bin Optimistin.“ Der Bürgermeister schreibt auf der Website des 3000-Einwohner-Ortes: „In Aystetten fühlt man sich wohl, hier lässt es sich gut leben“. Als Apotheker leider nicht, zumindest gilt das für den zweiten Teil des Satzes. Dabei gibt es in Augsburg eine PTA-Schule, man sollte also meinen, dass der Nachwuchs freudig in den Startlöchern sitzt.

Das ist auch so. Allerdings möchte, siehe oben, niemand aufs Land. „Die PTA und PKA, die fertig werden, wollen nach München oder Augsburg. Wenn man die anschreibt, bekommt man meistens nicht einmal eine Antwort“, sagt die Apothekerin. Mit den Jahren wurde es immer schwieriger, Personal zu finden: „Mitarbeiter wurden abgeworben, sind nach München gegangen. Dort wird über Tarif bezahlt, das konnte ich gar nicht. Ich würde es gerne machen, weil ich finde, dass es fleißigen Mitarbeitern zusteht.“ Aber die Einnahmen einer Landapotheke geben Spitzengehälter einfach nicht her.

„Ich verstehe, wenn jemand dann geht“, sagt Mödl. Mit dem ICE ist es nach München nur eine halbe Stunde. Dort bezahlen Apotheker rund 25 Prozent über Tarif. Mindestens. Als die erste PTA die Schloss-Apotheke verließ, war die Apothekerin noch guter Dinge. Bei der zweiten dann nicht mehr. Immer mehr zeichnete sich ab, dass sie niemanden mehr für ihr Unternehmen würde gewinnen können.

„Irgendwann hatte ich nur noch eine 35-Stunden-PTA, eine 19-Stunden-PTA und eine 450-Euro-Kraft.“ Den Rest stemmte sie alleine. „Ich bin gewöhnt, viel zu arbeiten“, sagt sie. Und wenn jemand krank wurde oder Urlaub hatte, übernahm sie deren Dienst eben auch noch.

„Anfang diesen Jahres war mir dann klar, dass es nicht so weitergehen kann“, sagt die Apothekerin. Im März fällte sie, Optimismus hin oder her, die Entscheidung, die Apotheke zu schließen. „Ich habe meine Mitarbeiter informiert und den Mietvertrag gekündigt.“ Sie freut sich: „Alle haben sofort einen Job gefunden, es sind Top-Mitarbeiter.“ Und die Chefin? Die überlegt gerade, wie ihre Zukunft aussehen wird. „Ich muss mich erst ein bisschen regenerieren, bin in der Orientierungsphase.“ Bis Ende des Monats räumt sie ihr Unternehmen, wer eine schöne, gut erhaltene Apothekeneinrichtung sucht, kann sie gern kontaktieren.

Im Prinzip habe Aystetten, so Mödl, eine gute Infrastruktur. Der Ort liegt quasi im Speckgürtel von Augsburg, es gibt zwei Arztpraxen, einen Bäcker, einen Metzger. Gleich nach dem Studium eröffnete sie die Apotheke: „Die goldenen Zeiten habe ich nicht mehr erlebt. Damals war Horst Seehofer Gesundheitsminister, rund drei Jahre nach der Eröffnung kam die erste Arzneimittelpreisreform.“

Dann folgte Einschnitt auf Einschnitt: „Es wurde immer schwieriger, aber ich blieb optimistisch.“ Aus Kunden wurden Stammkunden. „Mir war eine gute, ausführliche Beratung immer extrem wichtig, dafür habe ich mir gern Zeit genommen.“ Doch mit den Jahren änderte sich die Bevölkerungsstruktur, Aystetten wurde mehr und mehr zum „Schlafstädtchen“ für Bewohner, die in Augsburg arbeiten. Und dort auch einkaufen.

Beim Abschied sind viele Tränen geflossen. Und es gab viel Lob für ihre Arbeit. Balsam auf der traurigen Apotheker-Seele. „Ein Patient kam und bedankte sich, dass ich ihn zum Arzt geschickt hatte, seine Gallenblase wäre fast geplatzt.“ Bei einer Patienten hatte sie den Verdacht auf einen leichten Schlaganfall, der sich beim Arzt tatsächlich als einer herausstellte. Eine Kundin brachte den Abschieds-Blumenstrauß der Apothekerin sogar nach Hause. Ihre Offizin wird sie vermissen, den Beruf würde sie sofort wieder ergreifen. Einmal Apothekerin, immer Apothekerin. Sie sagt: „Wer Rat braucht, kann mich künftig gern auch fragen, wenn er mich auf der Straße trifft.“

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