Es gibt sie durchaus, die gesegneten Paare. Sie lassen die Verhütung weg – und schwupps, ist die Frau schwanger. Bei vielen aber dauert es, bis der Kinderwunsch in Erfüllung geht. Klappt es nicht sofort, muss nicht gleich eine Kinderwunschbehandlung beginnen. Manchmal genügt es schon, an kleinen Stellschrauben zu drehen.
Ein Jahr sollten sich Paare Zeit geben, sagen Dr. Anne-Sophie Fleckenstein und Dr. Antje Mainka, beide Gynäkologinnen und Autorinnen des Buches „Endlich schwanger!“. „So banal es klingen mag – das Wichtigste ist, in dieser Zeit regelmäßig Sex zu haben“, sagt Fleckenstein. Entscheidend ist die Zeit um den Eisprung herum. Wann der stattfindet, hängt von der Länge des Zyklus ab. Im Schnitt ist er 28 Tage lang.
Ist das der Fall, bedeutet das: Ab dem 10. Tag nach Beginn der Regelblutung sollte das Paar ungefähr jeden zweiten Tag miteinander schlafen. Der Eisprung findet irgendwann um den 14. Tag herum statt. Ab diesem Moment kann die Eizelle ungefähr 36 bis 72 Stunden lang befruchtet werden.
Den zweiten wichtigen Punkt haben viele Paare gar nicht auf dem Schirm, sagt Fleckenstein: ihren Lebensstil. „Wer wirklich gern schwanger werden möchte, der sollte sich gesund ernähren, an der frischen Luft Sport treiben und ein gesundes Gewicht halten.“ Das heißt, der Body Mass Index liegt zwischen 19 und 25. Außerdem trägt das allabendliche Gläschen Wein nicht unbedingt dazu bei, dass eine Eizelle befruchtet werden kann. Rauchen schadet sowieso. All das gilt übrigens ausdrücklich für beide Partner.
Schon eine Veränderung dieser kleinen Stellschrauben führt manchmal zum Erfolg: einer Schwangerschaft. Manchmal, aber eben nicht immer. Ein Viertel der Kinderlosen wünscht sich einer Erhebung des Familienministeriums zufolge ein Kind. Dafür, dass es nicht klappt, kann es ganz unterschiedliche Gründe geben. Die gilt es erstmal auszuloten, wenn ein Paar am Kinderwunsch festhält.
Hat es binnen eines Jahres nicht geklappt, lohnt sich ein Besuch beim Frauenarzt, sagt Fleckenstein. Er wird beispielsweise fragen, ob die Frau Vorerkrankungen hat oder schon einmal operiert wurde. Außerdem kann er den Hormonstatus überprüfen. Und er kann mittels Ultraschall nachsehen, ob und wann der Eisprung stattfindet. „Dafür muss die Frau etwa drei Mal in einem Zyklus zum Frauenarzt gehen“, sagt Mainka. Allerdings übernimmt die Krankenkasse die Kosten für diese Untersuchungen in der Regel nicht.
Parallel kann der Mann ein Spermiogramm erstellen lassen. Er gibt eine Probe ab, ein Mediziner schaut dann unter dem Mikroskop, wie viele Spermien sich im Ejakulat befinden und wie schnell sie sich bewegen. Je nachdem, was sich bei den Untersuchungen herausstellt, können sich Paare für eine entsprechende Kinderwunschbehandlung entscheiden.
An diesem Punkt angekommen, haben die Betroffenen allerdings meist schon reichlich Nerven gelassen. Geht der Wunsch nach einem Kind vorerst nicht in Erfüllung, kann das für die Paare zur Zerreißprobe werden. „Es ist häufig schwer zu ertragen, dass andere Paare einfach so ein Kind bekommen können“, sagt Petra Thorn. Die Paar- und Familientherapeutin bietet ungewollt kinderlosen Paaren psychosoziale Beratung an und ist Vorsitzende des Beratungsnetzwerks Kinderwunsch Deutschland (BKiD).
Beginnt der Wunsch nach einem eigenen Kind das eigene Leben zu beeinträchtigen, sei es sinnvoll, sich Hilfe zu suchen, sagt sie. „Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Paar nur noch über das Thema Kind spricht, keine Freude mehr am Sex hat oder sich von Freunden abwendet, weil diese ein Kind bekommen haben.“
In einer psychosozialen Beratung geht es vor allem darum, auszuloten, was das Paar selbst gern möchte. „Wir geben nichts vor, sondern zeigen nur auf, welche Optionen es gibt“, erklärt Thorn.
Am Anfang steht dabei die Frage im Mittelpunkt, ob es eine Kinderwunschbehandlung geben soll oder nicht. Einige Paare entscheiden sich dagegen, sagt Thorn. „Dann kann zum Beispiel eine Adoption infrage kommen, in selteneren Fällen auch die Aufnahme eines Pflegekinds.“ Anderen Betroffenen gelinge es, ganz bewusst ein Leben ohne Kind zu führen.
Auch aus Sicht der Gynäkologinnen kann es sinnvoll sein, sich bei der Entscheidung für oder gegen eine Kinderwunschbehandlung beraten zu lassen. „Die meisten Paare machen das aber nicht“, sagt Fleckenstein – vielleicht weil sie den Weg zum Psychotherapeuten scheuen. Vielleicht auch aufgrund der Kosten: „Eine Kinderwunschbehandlung geht ohnehin ins Geld.“
Wer sich von dem Wunsch nach einem eigenen Kind nicht verabschieden kann oder möchte, hat in Deutschland mehrere Optionen: Dem Eisprung bei der Frau kann man mit bestimmten Präparaten auf die Sprünge helfen. Eine andere Möglichkeit besteht darin, Spermien mit einem dünnen Schlauch direkt in die Gebärmutter zu befördern. „Den Weg zur Eizelle müssen sie dann selbst finden“, erklärt Mainka. Es können auch Spendersamen inseminiert werden.
Möglich ist in Deutschland auch, bei der Frau Eizellen zu entnehmen und im Labor mit Spermien des Partners zusammenzubringen (die sogenannte In-vitro-Fertilisation). Im Anschluss transferieren Ärzte die befruchteten Eizellen in die Gebärmutter.
Die Zahl der Kinder, die durch eine solche Behandlung außerhalb des Körpers entstehen, wird immer größer. Knapp 21.000 Geburten waren es laut IVF-Register im Jahr 2015, rund 10.000 mehr als zehn Jahre zuvor.
Egal welche Behandlung zum Einsatz kommt: Thorn empfiehlt, sich währenddessen psychologisch unterstützen zu lassen. „Eine Kinderwunschbehandlung gleicht häufig einer emotionalen Achterbahnfahrt, die für die Betroffenen unheimlich anstrengend ist.“ Schließlich schöpft das Paar immer wieder Hoffnung, die oft genug wieder zerschlagen wird, weil es nicht geklappt hat.
Die Chancen durch eine künstliche Befruchtung schwanger zu werden, liegen bei Frauen unter 35 Jahres pro Zyklus bei ungefähr 30 Prozent, erklären Mainka und Fleckenstein. In höherem Alter sinken die Chancen rapide: Es gebe biologische Grenzen, die auch die moderne Kinderwunschmedizin nicht außer Kraft setzen kann, betont Ulrich Hilland, Vorsitzender des Bundesverbandes Reproduktionsmedizinischer Zentren (BRZ).
Hinzu kommt, dass eine Schwangerschaft dann auch kein Spaziergang mehr ist. „Man muss auch mal sagen, dass eine Schwangerschaft jenseits der 40 mit sehr viel mehr Risiken verbunden ist“, sagt Fleckenstein. Sie rät Paaren, die sich grundsätzlich ein Kind wünschen, nicht allzu lange zu warten.
APOTHEKE ADHOC Debatte