Kinderärzte schlagen Alarm dpa, 14.10.2008 11:25 Uhr
Die Kinder- und Jugendärzte in Deutschland beklagen dramatische Fehlentwicklungen bei der Gesundheitsversorgung Heranwachsender. Die Vorsorge-Untersuchungen, mit dem Krankheiten und Auffälligkeiten frühzeitig erkannt werden sollen, greife nicht weit genug, kritisierte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Wolfram Hartmann. Vor allem Kinder aus unteren sozialen Schichten seien schlecht versorgt. „Die Zwei-Klassen-Medizin muss ein Ende haben“, forderte er. Gegen Kindesmisshandlung- und Vernachlässigung werde zudem nicht flächendeckend vorgegangen.
Der Verband, dem 10.000 Mitglieder angehören, beobachtet mit Sorge, dass in Deutschland eine Generation von Kindern heranwächst, die von der Gesellschaft vollständig vergessen zu werden droht. Kranke Kinder, die durch das Raster der Vorsorge fielen, hätten eine düstere Zukunft vor sich. Ein weiteres Problem: Wer wird die Heranwachsenden künftig behandeln? Es ist laut Hartmann absehbar, dass innerhalb der nächsten fünf Jahre eine flächendeckende Versorgung durch entsprechend weitergebildete Kinder- und Jugendärzte nicht mehr gesichert ist. Schon heute hätten etwa 35 Prozent der aus Altersgründen freiwerdenden Kinder- und Jugendarztpraxen keinen Nachfolger. In den neuen Bundesländern seien sechs von zehn Praxen ohne Nachfolger.
Allgemeinmediziner könnten die Kinder und Jugendlichen nicht adäquat behandeln. „Diesen umfassenden Überblick über das breite Spektrum der Kinder- und Jugendmedizin kann ein Allgemeinarzt während seiner Weiterbildung nicht erwerben“, so Hartmann. Vor allem die medizinische Versorgung von Kindern aus sozialen Randgruppen befinde sich in großer Gefahr, sagte Hartmann. Denn viele Ärzte seien nicht bereit, sich in Wohnvierteln mit einem hohen Anteil sozialer Randgruppen niederzulassen, weil sie dort mit den Honoraren der Krankenkassen nicht auskämen.
Hartmann erkennt die kritisierte „Zwei-Klassen-Medizin“ in vielen Bereichen: Während Privatversicherte etwa vom zweiten bis zum 14. Lebensjahr einen Anspruch auf jährliche Vorsorgeuntersuchungen haben, haben gesetzlich versicherte Kinder im Alter zwischen sechs und elf Jahren keinen Anspruch auf entsprechende Untersuchungen.