Der Befall von 31 Patienten mit einem multiresistenten Erreger im Kieler Uniklinikum geht nach Forscherangaben auf einen einzigen Menschen zurück. Es sei gelungen, das Erbgut des Ausbruchsstamms Acinetobacter baumannii zu entziffern, betonte Professor Dr. Andre Franke vom Uniklinikum Schleswig-Holstein (UKSH). Analysen bestätigten, dass alle Besiedelungen und Infektionen im Dezember und Januar auf denselben Erregerstamm zurückgehen. In Kiel starben von den 31 Patienten 13 – davon zehn den Ärzten zufolge aber nicht am Keim, sondern an ihren vorher bestehenden Erkrankungen.
Der Keim ist gegen fast alle Antibiotika resistent und hat zudem eine Veranlagung zur Resistenz gegen das wegen schwerer Nebenwirkungen nur noch selten genutzte Colistin. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis der 4MRGN-Stamm auch gegen dieses Antibiotikum resistent werde. Als letzte Option stünde dann gegebenenfalls noch das ebenfalls veraltete Tobramycin zur Verfügung, so Franke und Professor Dr. Helmut Fickenscher, Direktor des Instituts für Infektionsmedizin des UKSH.
Der nachgewiesene Keim ist weltweit verbreitet. Er stimmt mit einem Stamm überein, der erstmals 2009 im Raum Dortmund sowie 2010 und 2011 im Raum Köln jeweils bei mehreren Patienten nachgewiesen wurde.
Als Infektionsquelle in Kiel gilt ein deutscher Urlauber, der nach einem Unfall zunächst in einem Krankenhaus in der Türkei behandelt und im Dezember nach Kiel verlegt wurde. Das türkische Krankenhaus hatte laut UKSH mitgeteilt, der Mann habe keine gefährlichen Keime. Dennoch sei ein Screening gemacht worden. Da der Patient aber notoperiert werden musste, konnte das UKSH das oft erst nach mehreren Tagen vorliegende Ergebnis nicht abwarten. Auf der Intensivstation war zudem kein Einzelzimmer frei.
Als eine Konsequenz aus dem Kieler Fall halten die beiden Experten engmaschigere Screenings für sinnvoll, wenn Patienten ins Krankenhaus kommen. Franke teilte mit, das Verfahren für einen neuen, effizienteren und schnelleren Test gegen multiresistente Keime sei entwickelt worden, nun gehe der Test in die Erprobung.
Ein ungelöstes Problem sind die Kosten für Screenings. „Die Kliniken erhalten sogenannte Fallpauschalen für jeden Patienten, Screenings sind darin aber nicht gesondert eingerechnet“, sagte Fickenscher.
Immer größer werde auch das Problem, dass Bakterien gegen Antibiotika resistent seien. „Die großen deutschen Pharmakonzerne haben sich aus der Erforschung neuer Antibiotika praktisch zurückgezogen“, so Fickenscher. Denn es lohne sich für Firmen finanziell nicht, neue Antibiotika zu entwickeln, gegen die Keime nach gewisser Zeit wieder Resistenzen entwickeln. In der Diskussion sei, ob die Erforschung neuer Antibiotika als gesundheitspolitische Aufgabe von der öffentlichen Hand selber übernommen oder zumindest finanziell unterstützt werden müsse.
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