Kommanditgesellschaft

Keinen Nachfolger gefunden? Investor rettet die Apotheke! Tobias Lau, 21.05.2019 15:17 Uhr

Geld und Honig: Apothekerehepaar Winter hat mit einer Minderheitsbeteiligung geholfen, die Wartenfels-Apotheke in Thalgau zu erhalten. Foto: Wartenfels-Apotheke
Berlin - 

Thalgau ist ein österreichischer Landort wie aus dem Bilderbuch: Vor eine Alpenpanorama liegt die 6000 Seelen große Marktgemeinde beschaulich im grünen Tal. Landwirtschaft, Gastronomie, Ärzte und Altersheime gibt es für die zu großen Teilen bäuerliche Bevölkerung – mit der Apotheke wäre es aber beinahe knapp geworden. Die Nachfolgersuche auf dem Land ist in Deutschland und in Österreich gleichermaßen problematisch. Doch die Wartenfels-Apotheke konnte gerettet werden: Durch Konstruktionen, die es in Deutschland nicht gibt.

Und auch das ist in Österreich genauso: Die Apotheke auf dem Land ist mehr als nur eine Arzneimittelabgabestelle. „Wir sind hier ein Treffpunkt, da kriegt man einiges mit“, sagt die neue Geschäftsführerin Angelika Dietmann nicht ohne Stolz. Dass sie den Betrieb mit seinen zehn Mitarbeitern nun leitet, war bis vor kurzem keine ausgemachte Sache: Ihre Vorgängerin Kamilla Streussnig suchte einen Nachfolger, wurde aber nicht fündig. Dietmann, die seit der Eröffnung der Offizin im Jahr 2000 im Team ist, wäre als nächste Inhaberin eigentlich eine natürliche Wahl gewesen.

Doch eine Apotheke zu kaufen, kommt für sie nicht in Frage – zu hoch sei das Risiko. „Wenn man bedenkt, dass rund 30 Prozent der Apotheken in Österreich in den roten Zahlen sind, muss man schon ein großer Optimist sein, um eine Apotheke zu kaufen“, sagt sie. Hinzu komme die Konkurrenz durch die Drogerien und der Rx-Versand. Der ist zwar in Österreich verboten, aber von den Alpen aus hat man einen guten Blick auf Deutschland: „Man weiß ja nicht, was in fünf oder zehn Jahren ist“, sagt sie.

Das war auch Streussnig bewusst, die anderthalb Jahre nach einem Käufer gesucht hat – erfolglos. Das sie nicht darauf wetten konnte, dass sich das ändert, schloss sie einen Vorvertrag mit dem Privatgroßhändler Jacoby GM: Denn in Österreich ist zwar der Fremdbesitz verboten, Minderheitsbeteiligungen von bis zu 49 Prozent sind hingegen erlaubt. Die Apotheke wird dann normalerweise als KG betrieben. Der Apotheker haftet als Komplementär, der Investor ist als Kommanditist am Kapital beteiligt. Rund 200 der 1370 österreichischen Apotheken werden so betrieben. Oft ist es der Großhandel, der die Minderheitsbeteiligung übernimmt.

Das geschieht nicht immer zur Freude der Apotheker, auch im Falle von Dietmann. Der Einstieg des Großhändlers war die Kröte, die man in Thalgau zu schlucken bereit war, um die Wartenfels-Apotheke zu erhalten. Doch nicht nur der Großhändler war interessiert: Es meldete sich das Apothekerehepaar Winter, das auf Expansionskurs ist. Andrea Winter betreibt die Barbara-Apotheke nahegelegenen Hallwang, ihr Mann Klaus die Apotheke Grossarl. Für die beiden eine gute Möglichkeit, ihr Geschäft mit überschaubarem Kapitaleinsatz zu vergrößern.

Der Großhändler blieb trotzdem im Geschäft. Er hält nach wie vor 33 Prozent, hat damit aber deutlich weniger Mitspracherecht. 25 Prozent hat Dietmann übernommen, der Rest ist in der Hand des Ehepaars Winter. „Das Ehepaar Winter konnte das abmildern. Es waren harte Verhandlungen mit vielen Treffen“, sagt Dietmann. „Optimal wäre es natürlich ohne Großhändler gewesen, aber wir haben einen guten Weg gefunden.“ Denn tatsächlich könne es auch Vorteile haben, den Großhändler im Boot zu haben: So sei beispielsweise bei der Rechnungsbegleichung mehr Entgegenkommen zu erwarten.

Das macht die Konstruktion mit der Minderheitsbeteiligung des Grossisten nicht unbedingt beliebter. Mit Darlehen, Bürgschaften oder Liefer- und Beraterverträge versuchen die nämlich oft, die Apotheken langfristig an sich zu binden. Die Beteiligung an der Apotheke ist dabei oft nur Mittel zum Zweck. Außerdem würden sie sich bei hohen Beteiligungen nicht selten in die Personalpolitik einmischen: „Es passiert oft, dass ein halbes Jahr nach dem Einstieg des Großhändlers Leute entlassen werden. Wenn die sagen, die Personalkosten sind zu hoch, muss der Konzessionär eben welche entlassen.“

Und dann gibt es noch die Extremfälle. Denn es gibt die Regelung, dass Apotheker für einen Zeitraum von zehn Jahren sogar 75 Prozent der Anteile an ihrer Apotheke in fremde Hände geben dürfen. Die Folge: Betriebe, in denen kurz vor Ablauf der Frist der Inhaber wechselt, aber der Mehrheitseigentürmer derselbe bleibt – klassische Strohmannkonstruktionen, für die sich oft Pensionäre hergeben.

Mit solchen Verhältnissen muss Dietmann nun nicht umgehen. Sie ist froh über die Unterstützung der beiden Winter-Apotheken. So bekomme sie durch die beiden Partnerapotheken nicht nur bessere Konditionen, die drei Häuser könnten sich auch gegenseitig unterstützen, beispielsweise bei der Lagerhaltung. „Wenn bei uns etwas nicht vorrätig ist, können wir es zur Not in einer anderen Apotheke erfragen“, erklärt sie. „Wirtschaftlich ist das eine super Lösung!“

Das Medikamentenlager habe sie dennoch seit der Übernahme schon beachtlich erweitert: Von rund 140.000 auf jetzt über 200.000 Euro. Bald sollen es 250.000 Euro sein. Für die Winters springt quasi fast nebenbei noch ein Absatzmarkt heraus: Klaus Winter ist leidenschaftlicher Imker und vertriebt selbst hergestellte Honigprodukte in den Apotheken. Er zeige sich sehr zufrieden mit der erreichten Lösung und fühle sich in seiner Entscheidung bestätigt, sagt Dietmann: „Es war sicher nicht die letzte Apotheke, an der er sich beteiligt.“