Das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) auf der Insel Riems sieht keine Anzeichen für ein Abklingen der Vogelgrippe in Deutschland. In der vorletzten Woche habe man die viertgrößte Fallzahl an Nachweisen seit dem ersten Ausbruch im November 2016 dokumentiert, sagte FLI-Präsident Thomas Mettenleiter. Mit 28 Ausbrüchen in Geflügelhaltungen im Jahr 2016 und 66 im Jahr 2017 handele es sich um die größte jemals dokumentierte Serie von Geflügelpest in Deutschland.
„Die Lage, die wir momentan haben, gibt uns nicht die Grundlage für eine grundsätzlich andere Einschätzung“, sagte Mettenleiter. Das Institut geht von einem weiterhin hohen Eintragungsrisiko des tödlichen Erregers in Geflügelhaltungen aus, insbesondere bei Haltungen in der Nähe von Wasservogelrast- und Wildvogelsammelplätzen. Das Institut empfiehlt weiter eine risikobasierte Aufstallung, der die Bundesländer nach Bewertung der regionalen Situation auch folgten. Die Ausbrüche in Geflügelhaltungen konzentrierten sich zuletzt auf Niedersachsen. Hier geht das Institut dem Verdacht nach, dass die Seuche von einem Bestand in andere verschleppt wurde. Durch den „genetischen Fingerabdruck“ der Viren könne man den Weg mit hoher Wahrscheinlichkeit nachvollziehen.
Das FLI wies Kritik von Naturschutzverbänden zurück, die Geflügelpest sei nicht durch Wildvögel sondern über Futter oder Tiefkühlgeflügel von Asien nach Deutschland gelangt. Zum einen sei die Vogelgrippe in Deutschland zuerst bei Wildvögeln und erst danach bei Nutzgeflügel aufgetreten, sagte Mettenleiter. Zudem lasse sich der Weg des Virus und seiner Veränderungen von Asien über Russland nach Mitteleuropa genetisch gut nachvollziehen. Dies stimme mit den Überlappungen verschiedener Zugvogelrouten von der Mongolei nach Europa überein, so dass von einem etappenweisen Weitertragen des Erregers ausgegangen werde, sagte Martin Beer, Leiter des Instituts für Virusdiagnostik.
Das Institut verwies auch darauf, dass es bislang keine Nachweise von Erregern in Futter gegeben habe. „Es werden Behauptungen aufgestellt, ohne dass wir irgendwelche brauchbaren Hinweise bekommen, auf welcher Basis die Angaben gemacht wurden“, sagte Mettenleiter. Wenn jemand sachdienliche Hinweise zu anderen Ansteckungswegen habe, solle er die Behörden informieren.
Die Vogelgrippe war 1878 erstmals registriert worden. Seit Ende der 1990er Jahre beobachten die Forscher eine Zunahme der Ausbrüche und auch deutlich stärkere Auswirkungen. Dies lasse sich unter anderem mit der starken Zunahme der Nutztierhaltung erklären, insbesondere von Geflügel in Asien. „Es gibt mehr potenzielle Wirtstiere im Geflügelbereich und damit mehr Möglichkeiten der Infektion“, sagte Mettenleiter.
Zwischen 1950 und 1996 wurden nach Angaben des Instituts weltweit weniger als 20 Geflügelpest-Ausbrüche registriert. Diese Situation habe sich seit 1997 mit dem H5-Virus völlig verändert. Internationale Datenbanken der Welternährungsorganisation wiesen demnach allein seit 2004 etwa 24.000 Ausbrüche aus. Wildvögel geben inzwischen im Gegensatz zu früher auch aggressivere Erreger an Nutzgeflügel weiter. Dies ist nach Einschätzung des FLI eine neue Qualität. Die Forscher sprechen von einem Ping-Pong-Effekt zwischen Wildvögeln und Nutzgeflügel.
Dennoch sieht das FLI eine Impfung von Nutzgeflügel skeptisch. Eine solche Impfung verdecke das Seuchengeschehen.
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