Barrierefreiheit

Inklusion: Kein Thema für Apotheken?

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Berlin -

Arzt, Apotheker oder Lehrer – jeder hat seinen eigenen Traumjob. Nicht immer ist der Weg zum Traumberuf einfach, vor allem für Menschen mit einer Behinderung. Nach wie vor gibt es zu viele Ressentiments bezüglich der Beschäftigung von Arbeitnehmern mit Handicap. Ein aktueller Bericht der Bundesregierung zeigt: Menschen mit Behinderung haben im Arbeitsleben massive Probleme. In Deutschland gibt es zahlreiche Hilfsangebote für Arbeitnehmer mit Behinderung. Die Vielfalt der unterschiedlichen Leistungen ist überwältigend und verwirrend.

Immer wieder wird in der Apothekenbranche darüber diskutiert, wie man für die Kunden Barrierefreiheit herstellen kann. Die Pflicht dazu ist inzwischen sogar in der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) festgeschrieben. Doch nicht nur Kunden sollen sich frei bewegen können, sondern auch die Mitarbeiter, vor allem diejenigen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Doch das ist offenbar kein Thema in der Branche.

Anfragen bei mehreren Landesapothekerkammern brachten: Nichts. „Die Nachfrage bei uns im Haus hat ergeben, dass das Thema Arbeiten mit körperlicher Behinderung in der Apotheke keines ist, mit dem unsere Mitglieder in der Vergangenheit an uns herangetreten sind“, sagt etwa eine Sprecherin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe. Auch bei der Adexa soll es in den vergangenen Jahren nur einigen wenigen Einzelfällen Beratungsbedarf gegeben haben. Es bleibt dabei unklar, ob Apotheken besonders inklusiv sind und daher keine Probleme auftauchen, die von den Arbeitnehmern gemeldet werden. Oder aber: Behinderte Menschen trauen sich erst gar nicht, einen Apothekenberuf zu ergreifen.

Formale Zugangseinschränkungen gibt es für Apothekenberufe keine. Eine wichtige Hürde auf dem Weg zu Approbation – zumindest für Menschen mit Behinderung – ist allerdings das Gesundheitszeugnis. Darin bestätigt ein Arzt, dass der Apotheker in spe zur Ausübung seines Berufs geeignet ist. Eine Liste, die von vornherein Menschen mit bestimmten Erkrankungen ausschließt, gibt es allerdings nicht. Ob ein Pharmazeut mit einem schweren Sehfehler oder einer rheumatoiden Arthritis als Apotheker arbeiten darf, hängt somit zu großen Teilen davon ab, wie gut er mit der Einschränkung umgehen kann und wie sein Hausarzt das einschätzt.

In Deutschland gibt es das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG). Es soll vor einer Diskriminierung aufgrund von Herkunft, Geschlecht, Weltanschauung, Alter, Behinderung oder sexueller Identität schützen. Im Beruf werden etwa Auswahlkriterien, berufliche Aufstiegschancen sowie die Arbeitsvergütung durch dieses Gesetzt festgelegt. Für Menschen mit Behinderung gibt es sogenannte Leistungen zur Teilhabe. Die Vielfalt der unterschiedlichen Leistungen ist überwältigend und verwirrend: Persönliches Budget, Reha-Leistungen, Renten und Pensionen, Pflegeleistungen, Arbeitslosengeld, Soziale Leistungen, Unterstützung für den Arbeitgeber, Steuerliche Erleichterungen.

Dennoch werden Menschen mit Behinderungen etwa bei der Arbeitssuche noch immer benachteiligt und fürchten besonders oft um ihren Job. Das geht aus dem aktuellen Diskriminierungsbericht hervor, der alle vier Jahre von der Bundesregierung vorgelegt wird. Demnach werden Betroffene trotz passender Qualifikation oft gar nicht erst zu Bewerbungsgesprächen eingeladen. Womöglich zweifelten die Arbeitgeber an der Kompetenz der Bewerber oder fürchteten – zu Unrecht –, dass der Kandidat viel Unterstützung am Arbeitsplatz brauche, heißt es in dem Bericht.

Viele Betroffene berichteten, dass sie am Arbeitsplatz gemobbt werden und auf Unverständnis der Kollegen gegenüber ihren besonderen Bedürfnissen stoßen. Auch darüber, wie ein behindertengerechter Arbeitsplatz aussehen sollte, gibt es offenbar immer wieder Diskussionen mit dem Arbeitgeber. Menschen mit Behinderung fürchten dem Bericht zufolge überdurchschnittlich oft, wegen ihres Handicaps gekündigt zu werden. Dabei sind gerade Schwerbehinderte gesetzlich besonders vor Kündigung geschützt. Will ein Arbeitgeber einen schwerbehinderten Angestellten kündigen, muss das Integrationsamt zustimmen. Die Behörde versucht zwischen dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu vermitteln und ihre Interessen in Einklang zu bringen. Dabei kann das Integrationsamt etwa dafür sorgen, dass der Angestellte technische Hilfen erhält und andere Organisations- und Arbeitsabläufe ermöglicht werden, sodass er seine Arbeitsstelle behält.

Neben dem erweiterten Kündigungsschutz haben Arbeitnehmer mit einer Behinderung weitere besondere Rechte am Arbeitsplatz. So stehen ihnen zusätzlich zu den gesetzlichen Urlaubstagen fünf weitere Tage zu. Behinderte haben außerdem einen Anspruch darauf, dass der Arbeitsplatz an ihre Bedürfnisse angepasst wird. Dabei kann es sich um die Anschaffung einer ergonomischen Tastatur oder eines speziellen Monitors für Menschen mit Sehbehinderung sowie um die Barrierefreiheit des gesamten Arbeitsplatzes für Rollstuhlfahrer handeln. Unterstützt werden sie dabei vom Integrationsamt sowie vom Arbeitgeber.

Behinderte und schwerbehinderte Menschen können bei der Suche nach einem Arbeits- oder Ausbildungsplatz Unterstützung erhalten. Sie können sich beispielsweise Bewerbungskosten oder sogenannte Leistungen der Kraftfahrzeughilfe erstatten lassen. Nach § 8 KfzHV erhalten behinderte Menschen – bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen – einen einkommensabhängigen Zuschuss, wenn sie ein Auto kaufen. Die Kosten der behinderungsbedingten Zusatzausstattung werden in vollem Umfang übernommen. In besonderen Fällen können Beförderungskosten, etwa für Fahrdienste, übernommen werden.

Auch besteht für schwerbehinderte Menschen die Möglichkeit, eine Arbeitsassistenz zur Unterstützung bei den anfallenden Arbeiten zu erhalten. So sollen sie bei der Ausübung ihrer Arbeit unterstützt werden. Darunter fällt beispielsweise die persönliche Assistenz für schwer körperbehinderte Menschen, die Vorlesekraft für blinde und stark sehbehinderte Menschen oder Gebärdendolmetscher für gehörlose Menschen. Es können auch Kosten für technische Arbeitshilfen und Hilfsmittel übernommen werden. Unterstützungsangebote im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements und der Stufenweisen Wiedereingliederung helfen Beschäftigten dabei, im Beruf zu bleiben oder wieder zurück zu finden.

Arbeitgeber, die behinderte und schwerbehinderte Menschen beschäftigen oder neu einstellen, können im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben Zuschüsse und Darlehen erhalten. So können etwa Kosten für die Zeit einer Probebeschäftigung übernommen oder Eingliederungszuschüsse geleistet werden, wenn sich die Arbeitsmarktchancen des Betreffenden dadurch verbessern. Für die Zeit einer Probebeschäftigung können die Personalkosten des Arbeitgebers bis zu drei Monate übernommen werden. Außerdem können Arbeitgeber Eingliederungszuschüsse von bis zu 70 Prozent des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts für bis zu 24 Monate erhalten.

Auch wer neue Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen einschließlich der behinderungsgerechten Gestaltung schafft, bekommt Zuschüsse oder Darlehen vom Integrationsamt. Die Einrichtung des Arbeitsplatzes umfasst dabei insbesondere die Ausstattung mit den notwendigen technischen Arbeitshilfen und Maßnahmen, durch die eine dauerhafte behinderungsgerechte Beschäftigung ermöglicht, erleichtert oder gesichert wird. Konkret kommen hier etwa die Ausrüstung eines Computerarbeitsplatzes mit einer Braillezeile für blinde oder ein Großbildmonitor oder eine extra große Tastatur für sehbehinderten Beschäftigten beziehungsweise Bild- und Schreibtelefone oder Lichtsignalanlagen an Maschinen bei gehörlosen Menschen.

Weiterführende Informationen zu den Hilfen und Unterstützungsangeboten finden Arbeitnehmer und Arbeitgeber vor allem bei den Integrationsämtern und Integrationsfachdiensten vor Ort sowie bei der Bundesagentur für Arbeit.

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