Nach 26 Jahren ging in der Apotheke am Riegerplatz in Darmstadt Ende April für immer das Licht aus. Nun wickelt Inhaberin Nicole Lautenschläger alles Wichtige in ihrer ehemaligen Hauptapotheke ab, um künftig nur noch die frühere Filiale, die Darmstädter Kronenapotheke, zu betreiben. Nachfolgerinnen für das Ladenlokal gibt es immerhin schon.
Dass Apotheken schließen, kommt leider immer wieder vor. Dass sich diese mit einem Fest verabschieden, ist hingegen selten. „Es war sehr traurig und emotional“, berichtet die Inhaberin. Schließlich war Lautenschläger 26 Jahre am Platz, hat sich immer sehr engagiert und auch vor der Apotheke seit 20 Jahren immer wieder kleine Feste für das gesamte Viertel veranstaltet.
So wie sie auch immer ihre Kinderfeste ausrichtete, ging nun auch die Geschichte der Apotheke zu Ende: mit Kaffee und vom Team selbstgebackenen Kuchen. Auch kleine Rätsel gehörten immer zu den Festen, also gab es auch ein Abschlussrätsel mit kleinem Gewinnspiel. „Damit habe ich mich auch verabschiedet. Viele Kunden sagen zwar, dass sie mitgehen werden, aber dazwischen liegen auch noch zwei andere Apotheken.“ Welche Stammkund:innen also erhalten bleiben, wird sich zeigen müssen. Doch gerade für die weniger Mobilen gibt es zweimal am Tag einen Botendienst.
„Es gibt viele Gründe, die Apotheke zu schließen. Vieles ist ja bekannt. Da ist das Finanzielle, da ist der Fachkräftemangel“, so Lautenschläger. Dass es nun die Hauptapotheke traf und nicht die zwei Kilometer entfernte Filiale, hat einen pragmatischen Hintergrund. „Da haben wir ein komplettes Team. Mein Mann hat hier als Betriebswirt mitgeholfen, ich war als einzige Apothekerin da. Jetzt wollen wir etwas zurücktreten.“ Auf das eingespielte Team in der Filiale können sich beide verlassen. Glücklicherweise wechseln auch noch zwei PTA und zwei PKA aus der Apotheke am Riegerplatz mit in die Kronenapotheke.
Dass sich das Inhaberpaar nun etwas rausnehmen will, hat mehrere nachvollziehbare Gründe. „Wir treten aus gesundheitlichen Gründen zurück. Wir haben keine Zeit mehr für uns, können keinen Urlaub machen. Dann ist mein Mann krank geworden“, erläutert Lautenschläger. Auch eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger haben sie versucht zu finden, wollten beide Apotheken sogar verschenken. „Zehn Bewerber gab es, aber am Ende wollte sie keiner haben“, so die Inhaberin.
Der Plan war, sich dann noch für die restlichen Jahre bis zur Rente anstellen zu lassen, doch nun verstärkt Lautenschläger stattdessen das Team der bisherigen Filiale. „Dass wir kein Geld mehr kriegen, das war mir schon seit Jahren klar“, erzählt sie. Dass die Apotheken nicht mal geschenkt jemand haben möchte, stimmt traurig. Vorerst hat Lautenschläger daher auch keine Lust mehr, für die verbliebene Apotheke die Nachfolge zu regeln. „Die reden das immer schlecht“, ärgert sie sich über die bisherigen Gespräche mit Interessent:innen.
„Irgendwie habe ich schon ein schlechtes Gewissen“, so die Inhaberin, die ihr Viertel nun ohne Apotheke zurücklässt. „Aber es lohnt sich einfach nicht mehr. Und 30 Stunden am Stück schaffe ich auch nicht mehr“, sagt sie rückblickend auf den letzten Notdienst mit anschließender Tagschicht. Gehalten hat sie sich am Standort vor allem dank der Beratung. „Unser Alleinstellungsmerkmal ist die Naturheilkunde und der Fokus auf Mutter-Kind. Dadurch konnten wir überleben – wir sind seit 15 Jahren ohne Arzt. Im letzten Jahr war es aber einfach nicht mehr rentabel.“ Die bisherige Spezialisierung der Hauptapotheke wandert nun in die Filiale.
Durch den engen Beratungskontakt zur Kundschaft war der Abschied entsprechend emotional: „Es war wirklich schön. Es kamen so viele Kunden vorbei, manche haben geweint, manche haben Blumen gebracht.“ Jetzt im Mai wird alles weitere abgewickelt. Was mit umziehen kann, zieht um. Doch ein paar sperrige Einrichtungsgegenstände der Apotheke nehmen die Nachmieterinnen des Ladenlokals gerne. „Hier ziehen sieben junge Frauen rein, die sich gerade selbstständig machen. Es ist schön, dass vieles erhalten bleibt“, freut sich Lautenschläger.
Die Nachfolgerinnen – darunter auch ehemalige Kundinnen – wollen ein Keramikstudio, Maleratelier und ein Tattoostudio in die Apothekenräume bringen und fanden die Einrichtung schön. „Sie machen daraus die ‚Macho-Theke‘“, – so bleibt sogar etwas von der Apothekengeschichte erhalten. „Bitte geben Sie diesen Geschäften eine Chance und unterstützen sie. Nur so können wir unser Viertel belebt und interessant halten“, so die Inhaberin in einem emotionalen Brief an die Kund:innen.
Mit der 1964 gegründeten Apotheke verbindet Lautenschläger sogar eine noch längere Geschichte: Nur vier Tage nach der Eröffnung kam sie in der Wohnung über der Apotheke auf die Welt, wie sie auch auf ihrer Internet-Seite schreibt. „Die jungen Eltern brachte das auf die Idee, ihre Tochter könnte später einmal Apothekerin werden. Große Ziele, denn Frau Lautenschläger wollte eigentlich Erzieherin werden, da sie ein großes Herz für Kinder hat“, heißt es weiter.
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