In einer Seitenstraße des Frankfurter Bahnhofsviertels liegt der größte „Konsumraum“ der Stadt. 250 Mal pro Tag kommen Suchtkranke hierher, um Drogen zu nehmen. Heute, wo die Einrichtung geschlossen ist, sieht es auf den ersten Blick aus wie im Krankenhaus: im Parterre ein Empfangstresen, Monitore, Sitzecke, Kaffeeküche. Im Obergeschoss ändert sich der Eindruck dramatisch.
Alle Wände sind aus Glas, auch die Toiletten. Eine Treppe führt nur hinauf, eine nur hinunter – um Drogenhandel zu verhindern. Hier vier Plätze mit Aschenbecher für Crack-Raucher, dort zwölf Plätze für Heroin-Abhängige. Spritzen und Löffel liegen bereit, Teelichter zum Aufkochen und ein Spiegel über jedem Platz. „Das ist für die, die sich direkt in die Halsschlagader spritzen“, sagt Ronald Schneider, der die 2016 renovierte Einrichtung seit 2006 leitet.
Ihn kann nichts mehr schocken. Acht Mitarbeiter sind während der zwölfstündigen Öffnungszeiten (11 bis 23 Uhr) vor Ort. Sie registrieren, wer reinkommt und was konsumiert wird, beruhigen die auf Entzug schwer kontrollierbaren Klienten, weisen ihnen einen Platz im Konsumraum zu. „Das funktioniert wie am Flughafen“, sagt Schneider. Ärzte beantworten gesundheitliche Fragen, Sozialarbeiter suchen das Gespräch, vielleicht für einen Ausstieg.
Vier solche Einrichtungen gibt es in Frankfurt, zusammen zählen sie 180.000 „Konsumvorgänge“ pro Jahr. Allein: Was genau da geraucht oder gespritzt wird, weiß keiner, weder die Drogenabhängigen noch offizielle Stellen. „Wir wissen sehr wenig darüber, was beim Konsumenten ankommt“, sagt Professor Dr. Volker Auwärter, forensischer Toxikologe am Institut für Rechtsmedizin der Universität Freiburg.
Untersucht werden Drogen nur, wenn sie in größeren Mengen von der Polizei sichergestellt werden. Kleine Mengen, die bei Konsumenten gefunden werden, werden gleich vernichtet. Dazwischen aber wird der Stoff von Dealer zu Dealer gestreckt und gepanscht.
Gesundheitsdezernat und Drogenreferat der Stadt Frankfurt wollen sich mit diesem „Dunkelfeld“ nicht abfinden und gaben das nach eigenen Angaben bundesweit erste „Substanzmonitoring“ in Auftrag. Mitarbeiter der Konsumräume sammeln dafür Verpackungen und Spritzenfilter und schicken sie einmal die Woche nach Freiburg. Das Projekt läuft insgesamt ein Jahr und kostet gut 30.000 Euro. Erste Ergebnisse wurden am Montag vorgestellt.
Eine Erkenntnis: Wenn Drogenabhängige sich ihren Schuss setzen, ist im Heroin kaum noch Heroin. Im Mittel der 165 untersuchten Heroin-Proben lag der Wirkstoffgehalt bei neun Prozent. Laut Deutscher Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD) müsste der mittlere Wirkstoffgehalt bei Heroin weit höher liegen. Im „Großhandel“ gehen die Experten von 45 Prozent aus, „auf der untersten Handelsebene“ von durchschnittlich 20 Prozent.
Der Rest sind Begleitstoffe und Streckmittel, zum Beispiel Koffein oder Paracetamol. Anders als erwartet fanden die Wissenschaftler weder Gifte wie Strychnin noch Beimengungen anderer Drogen wie Crystal Meth in den insgesamt über 400 Proben. Sorgen macht Fachleuten hingegen das hochgefährliche Opioid Fentanyl.
Mit dem Substanzmonitoring habe man ein „Frühwarnsystem“ an der Hand, begründete Gesundheitsdezernent Stefan Majer (Grüne) das Pilotprojekt. „Wir wollen einen systematischen Überblick, welche Drogen im Umlauf sind und welche Gefahren von ihnen ausgehen.“ Die Suchtkranken erfahren allerdings nicht, was sie konsumieren: Aus rechtlichen Gründen dürfen in den Konsumräumen nur Sammelergebnisse ausgehängt werden, nicht die Analysen von Einzelproben.
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