Der Kampf gegen die Tuberkulose-Epidemie geht verloren, wenn die internationalen Anstrengungen nicht verstärkt werden. Dieses ernüchternde Fazit zieht die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihrem Welt-Tuberkulose-Bericht.
Bis 2030 sollen die Todesfälle um 90 Prozent und die Zahl der Neuansteckungen um 80 Prozent im Vergleich zu 2015 sinken. „Der Fortschritt ist nicht groß genug, um diese Ziele zu erreichen“, resümieren die Autoren. 2016 haben sich nach Schätzungen 10,4 Millionen Menschen infiziert, etwa so viele wie im Jahr zuvor. Erkannt und gemeldet wurden aber erneut weniger als Zweidrittel der Fälle. 56 Prozent der neuen Tuberkulose-Fälle entfallen auf fünf Länder: Indien, Indonesien, China, die Philippinen und Pakistan.
Die Zahl der Todesopfer sank leicht von 1,4 Millionen auf 1,3 Millionen bei Menschen ohne HIV/Aids. Unter HIV/Aids-Patienten starben und 374.000, nach rund 400.000 im Jahr davor. Ein großes Problem bleibe die wachsende Resistenz gegen Medikamente; bei 490.000 (2015: 480.000) neuen Patienten wirkten mehrere Medikamente nicht.
Die meisten Todesfälle könnten durch frühe Diagnose und Behandlung vermieden werden, so die WHO. Zwar wurden 85 Prozent mehr gefährdete Kinder unter fünf Jahren präventiv behandelt als im Jahr davor, aber das waren immer noch nur 13 Prozent der 1,3 Millionen Kinder, die dies nötig hätten. Es fehle Geld für Prävention und Behandlung, 2017 allein 2,3 Milliarden Dollar (2 Milliarden Euro). Die Entwicklung neuer Tests, Medikamente und eines Impfstoffs komme zu langsam voran. Die Rate der Neuansteckungen falle um 2 Prozent im Jahr, schreibt die WHO. Nötig seien jedoch 4 bis 5 Prozent, und das 2030-Ziel zu erreichen. Da die Erdbevölkerung wächst, ist eine gleichbleibende Zahl der Infektionen ein winziger Fortschritt.
Auch in Deutschland gibt es noch Tuberkulose-Patienten. Im Jahr 2016 zählte das Berliner Robert Koch-Institut (RKI) bundesweit 5915 Erkrankungen, 63 mehr als im Vorjahr. Damit hält sich das höhere Niveau der vorangegangenen vier Jahre. Für Deutschland ist das eine neue Entwicklung. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Tuberkulose als typische Armutserkrankung in Industrieländern kontinuierlich zurückgegangen. 2012 gab es mit rund 4200 registrierten Fällen einen Tiefststand in Deutschland.
Dann entwickelten sich die Zahlen wieder nach oben. „Es gibt einen Zusammenhang mit der aktuellen Zuwanderung“, sagt Dr. Lena Fiebig, Infektionsforscherin am RKI. „Migration ist aber nicht die Ursache von Tuberkulose. Das Bakterium ist es“, ergänzt sie. „Es ist sehr ungleich in der Welt verteilt. Es kommt aber auch in Deutschland vor“, so Fiebig.
Dass die Fallzahlen bundesweit gestiegen sind, kommt für die Wissenschaftlerin nicht überraschend. Sie sieht es sogar positiv: Es zeige, dass Menschen mit Tuberkulose gefunden – und damit eine Weiterverbreitung verhindert würde. Bevor Menschen in größere Unterkünfte ziehen – zum Beispiel Gefängnisse oder Flüchtlingsunterkünfte – werden sie auf Tuberkulose untersucht.
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