Nein, der weltbekannte Komponist Ludwig van Beethoven ist kein Pharmazeut. Aber sein jüngerer Bruder Nikolaus Johann absolvierte Ende des 18. Jahrhunderts eine Ausbildung in der kurfürstlichen Hofapotheke in Bonn, der heutigen Kaiser-Apotheke. Inhaber Claus-Peter Müller hat die bewegte Geschichte seiner Apotheke anlässlich ihres 300-jährigen Bestehens in einer Chronik niedergeschrieben.
„Ich bin kein großer Redner“, sagt Müller. Dennoch wollte er den 300. Geburtstag seiner Apotheke nicht einfach vorbeiziehen lassen. Daher entschied er sich, eine Festschrift zu schreiben, die er kostenlos an seine Kunden verteilte. 28 Seiten sind es geworden, auf denen die Höhen und Tiefen der kurfürstlichen Hofapotheke und späteren Kaiser-Apotheke nachgezeichnet werden. Müller habe dabei die Doktorarbeit von Marion Wühr als Grundlage genutzt; sie hatte sich mit den Apotheken im Erzstift Köln auseinander gesetzt. „So waren die ganzen Originalquellen schon aufgearbeitet“, erklärt er.
Denen zufolge erteilte der Kurfürst Joseph Clemens dem Apotheker Johann Anton Hittorf 1714 die Erlaubnis, eine neue Apotheke in Bonn zu eröffnen. Das tat Hittorf am 12. Mai 1715 – er leistete dafür vor dem Bonner Stadtrat einen Bürgerschwur und zahlte sechs Gulden. Er eröffnete seine Apotheke in der Wenzelgasse 460.
Bereits im Oktober 1715 wurde Hittorf zum Hofapotheker ernannt. Das brachte einige Annehmlichkeiten mit sich: Als Günstling des Hofes musste er ab 1716 keine Steuern mehr zahlen. Hittorf war jedoch kein Staatsbediensteter und erhielt vom Kurfürsten keine Bezahlung für erbrachte Leistungen. Daher war die Hofapotheke auch nicht auf dem Schlossgelände angesiedelt, sondern wurde in der Stadt geführt.
Die Beethovens wohnten Ende des 18. Jahrhunderts ebenfalls in der Wenzelgasse, in direkter Nachbarschaft zur Hofapotheke. So begann der erst 14-jährige Nikolaus Johann van Beethoven um 1790 eine Ausbildung unter dem damaligen Inhaber Johann Kemp. 1795 wurde Beethoven als Hilfsapotheker im Militärhospital eingesetzt. Kurz darauf erhielt er das Diplom eines „pharmacien de 3e classe“.
Johann van Beethoven folgte seinem älteren Bruder Ludwig 1796 nach Wien und arbeitete dort in der Heilig-Geist-Apotheke. 1801 legte er an der Universität Wien sein Examen ab und führte ab 1808 seine eigene Offizin, die Apotheke „Zur Goldenen Krone“ in Linz. Das Geschäft lief ziemlich gut; 1817 gründete Beethoven eine weitere Apotheke und konnte sich zwei Jahre später einen Gutshof leisten. Seinen berühmten Bruder beriet er nicht nur in pharmazeutischen Fragen, sondern auch vor Vertragsabschlüssen mit Musikverlegern.
Bonn fiel 1794 unter französische Herrschaft. Damit verlor die Kurfürsten-Apotheke zugleich ihre Hofprivilegien. Erst 1803 erhielt Beethovens Ausbilder Kemp eine Apothekenlizenz von der französischen Besatzung.
Nach dem Tod Kemps übernahm sein Gehilfe Peter Keller die Apotheke. Damit war Kemps Witwe nicht einverstanden. Es kam zu einem Streit vor Gericht, der schließlich darin endete, dass die ehemalige Hofapotheke 1821 polizeilich versiegelt wurde. Erst 1825 erhielt Heinrich Blind, ein weiterer ehemaliger Apothekengehilfe von Kemp, die Genehmigung zur Wiedereröffnung.
In den nächsten Jahrzehnten wechselte die Apotheke mehrfach den Besitzer. 1888 zog sie um: Die Stadt und besonders die Verkehrsbedingungen hatten sich gewandelt; die Wenzelgasse war nicht mehr geschäftig genug. Neuer Standort wurde daher der etwas südlicher gelegene Kaiserplatz. Dort bezog die Apotheke das Haus Nummer 4 und wurde – angelehnt an die Adresse – in Kaiser-Apotheke umbenannt.
Ab 1934 führte Hans Rosskath die Apotheke. Trotz seiner herausgehobenen gesellschaftlichen Stellung als Apotheker trat er nie in die nationalsozialistische Partei ein. Im Gegenteil: Er versteckte während des Zweiten Weltkriegs etwa einen jüdischen Fabrikbesitzer, der so das Dritte Reich überlebte. Rosskath geriet dabei selbst ins Visier der Nazis und wurde in Berlin inhaftiert. Vor dem Konzentrationslager konnten ihn aber Kameraden aus dem Ersten Weltkrieg bewahren: Sie erklärten ihn für „kriegswichtig“ und verschafften ihm eine Zivilstelle im Reichsluftfahrtministerium.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Kaiser-Apotheke zur Stammapotheke von Bonner Politikern und Mitarbeitern des Auswärtigen Amts, das nur 500 Meter von der Apotheke entfernt lag. Nach Rosskaths Tod im Jahr 1970 führte zunächst der Ehemann seiner Tochter Martha die Apotheke, vier Jahre später übernahm die Tochter selbst die Leitung. 1980 stellte sie Müller ein, an den sie die Apotheke schließlich 1989 verkaufte.
Müller gab der Kaiser-Apotheke ihren Schwerpunkt – alternative Heilmethoden. Dazu gehörten zunächst vor allem homöopathische Mittel, später kam traditionelle chinesische Medizin hinzu. „Das war eine logische Ergänzung unserer Kompetenz“, erklärt Müller. Auch er bildet in seiner Apotheke aus – genau wie zu Beethovens Zeiten. „Wir haben eine PKA ausgebildet. Und selbstverständlich haben wir auch immer PTAs, die hier ihr Praktikum machen“, sagt er.
Seit etwa fünf Jahren bleiben vermehrt Stadtführungen vor seiner Apotheke stehen: Das Interesse für Beethoven scheint zugenommen zu haben, vermutet Müller. „Zudem haben wir ein Bild vom Kurfürsten im Schaufenster, das zieht auch Aufmerksamkeit auf sich“, sagt er. In der Offizin gebe es immer noch einen Mörser aus der Zeit, in der Nikolaus Johann van Beethoven in der Apotheke gearbeitet habe. Der Mörser sei inzwischen allerdings nicht mehr in Gebrauch – dafür sei er viel zu schwer und unhandlich, so Müller.
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