Öko-Test

Johanniskraut: Apotheke sehr gut, Drogerie mangelhaft

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Berlin -

Der Einsatz des stimmungsaufhellenden Johanniskrauts bei leichten bis mittelschweren Depressionen ist unumstritten. Wie gut die im Handel befindlichen Präparate sind und ob sie wirklich helfen können, untersuchte Öko-Test. Die Arzneimittel aus der Apotheke haben im Test die Nase vorn.

16 Millionen Euro wurden laut Zahlen von IMS/Iqvia im Jahr 2016 mit rezeptfreien Johanniskraut-haltigen Präparaten in den Apotheken umgesetzt. Öko-Test hat 20 Produkte aus Offizin und Drogerie kritisch bewertet. Die einzelnen Präparate kosteten zwischen 3,55 Euro und 36,20 Euro. Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz vom Institut für Pharmazeutische Chemie der Universität Frankfurt stand dem Magazin zur Seite. Bewertet wurden Wirksamkeit und deren Belege sowie die Beipackzettel, Hilfsstoffe und Verpackung.

Unter den Testprodukten aus der Apotheke waren unter anderem Jarsin 300 mg (Casella-med), Kira (Niehaus), Laif 612 und Laif 900 Balance (Bayer), Neuroplant (Dr. Willmar Schwabe), Felis 425 mg (Hexal), Hypericum Stada, Johanniskraut 650 1A Pharma und Johanniskrat Al. Die Produkte aus der Drogerie im Test kommen beispielsweise von Abtei, Altapharma (Rossmann), Das Gesunde Plus (dm), Tetesept und Kneipp. Unter den Präparaten sind zwölf OTC-Arzneimittel sowie acht freiverkäufliche traditionelle pflanzliche Mittel.

Die fünf rezeptfreien Arzneimittel Jarsin, Kira sowie beide Laif-Produkte und Neuroplant wurden mit der Note „sehr gut“ bewertet. Die Tester hatten nichts zu bemängeln. Die Wirksamkeit der einzelnen Extrakte konnte in Studien belegt werden. Die Dosierungen seien ausreichend hoch und entsprächen der aktuellen Leitlinie zu unipolaren Depressionen, so Öko-Test. Laif 612 ist allerdings seit Jahresbeginn als „außer Vertrieb“ gekennzeichnet. Als offizieller Nachfolger ist Laif 900 Balance gelistet. Sieben weitere Produkte aus der Apotheke wurden mit dem Gesamturteil „gut“ bewertet. Punkteabzug gab es lediglich für die fehlenden direkten Wirksamkeitsnachweise. Zudem liegt der Wirkstoffgehalt unter den effektiven Tagesdosierungen.

„Mangelhaft“ schnitten unter anderem die Eigenmarken der Drogerien ab. Die Tester monierten die Wirksamkeitsbelege und Beipackzettel, sowie bei drei Produkten bedenkliche und/oder umstrittene Hilfsstoffe – zu finden waren Farbstoffe. Abtei verwendet Ponceau 4R (E 124), das laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Auslöser von allergischen Reaktionen sein kann. In den Eigenmarken der Drogerien ist der umstrittene Farbstoff Chinolingelb (E 104) enthalten.

Schlusslicht sind die Kneipp Johanniskraut Dragees H. „Ungenügend“ lautet das Gesamturteil. Die Tester dokumentierten einen Deklarationsmangel. Der Produktinformation fehlt ein Hinweis, bei anhaltenden Beschwerden einen Arzt aufzusuchen. Wie auch den „mangelhaft“ bewertenden Produkten fehlten der Packungsbeilage umfängliche Hinweise zu Neben- und Wechselwirkungen. Laut Öko-Test sind die „freiverkäuflichen Mittel im Test so niedrig dosiert, dass keine Wirkung und folglich auch keine Nebeneffekte auf andere Arzneimittel zu erwarten sind“. Fazit: „Entsprechende Hinweise sind daher entbehrlich.“

Johanniskraut und seine Zubereitungen besitzen antidepressive, angstlösende und stimmungsaufhellende Eigenschaften. Innerlich können die Präparate bei innerer Unruhe, Ängstlichkeit, Ein- und Durchschlafstörungen sowie Stimmungsschwankungen bis zur Behandlung von leichten bis mittelschweren depressiven Verstimmungen eingesetzt werden. Empfohlen ist eine Dosierung von 900 mg pro Tag. Betroffene können die Dosis einmal täglich einnehmen. Unterschiedlich hoch dosierte Präparate sind sowohl als apothekenpflichtige Arzneimittel, als auch freiverkäuflich in der Drogerie zu finden. Die Wirkung baut sich zu Beginn der Behandlung auf und erreicht nach etwa 14 Tagen ihr Optimum. Patienten sollten über den verzögerten Wirkeintritt informiert werden, um einen vorzeitigen Therapieabbruch zu vermeiden.

Die antidepressiven, angstlösenden und stimmungsaufhellenden Eigenschaften der Pflanze können auf Hyperforin zurückgeführt werden. Der Inhaltsstoff soll die Wiederaufnahme bestimmter Botenstoffe wie Serotonin und Noradrenalin in die präsynaptische Nervenzelle hemmen und deren Abbau verhindern. Somit wirkt das pflanzliche Präparat wie ein synthetisches Antidepressivum und erhöht die Konzentration an Neurotransmittern im synaptischen Spalt. Außerdem wird eine Hemmung der Monoaminooxidase für den Gesamtextrakt in Betracht gezogen.

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