Apothekerin Kirsten Jastram hat keine Lust mehr: „Früher war ich voller Idealismus, hab mit gebrochenen Knochen weitergemacht, mit Selbstverständlichkeit 60 bis 70 Stunden gearbeitet. Wofür? Dafür, dass es von Abda und Politik einen Tritt nach dem anderen gab?“ Am Dienstag hat sie ihre Papageien-Apotheke in Lübeck ausgeräumt. Wie es weiter geht, darüber macht sich die 55-Jährige aktuell keine Gedanken. Erstmal fährt sie mit dem Motorrad nach Griechenland.
1970 haben ihre Eltern die Apotheke gekauft, seit 2000 führt Jastram den Betrieb offiziell alleine. Sie habe „keine Millionen“ mit der Apotheke verdient, aber ein gutes Auskommen gehabt. „Ich wollte vernünftig davon leben, aber halt auch leben. Und das ist immer weniger geworden in den letzten Jahren“, so die Apothekerin.
Viel zu oft habe sie zu ihren Lasten weitergearbeitet – 2002 sechs Wochen nach einer komplizierten Operation eines Wirbelbruchs wieder am HV-Tisch gestanden, 2010 mit gebrochenem Fuß keinen einzigen Tag zu Hause geblieben. Immer wieder habe sie in den vergangenen Jahren Arzttermine kurzfristig absagen müssen, weil jemand anderes aus dem Team ausgefallen ist. „‚Selbst und ständig‘ – ich kann das nicht mehr hören“, gibt Jastram zu.
Eine Beobachtung hatte sie zuletzt immer häufiger – nicht nur in ihrer Apotheke, sondern allgemein: „Alle sind so egoistisch geworden. Das Teamdenken funktioniert nicht mehr so. Früher haben wir uns gemeinsam durchgekämpft. Natürlich wurden Überstunden ausgeglichen, aber wenn es gebrannt hat im Betrieb, haben alle mit angepackt.“ Seit ein paar Jahren habe der Egoismus zugenommen. „Jetzt bin ich mal egoistisch“, sagt Jastram.
Mit ihrem Mann will sie sich einen langersehnten Wunsch erfüllen: mit dem Motorrad nach Griechenland. Im nächsten halben Jahr will sie erst einmal die Urlaube nachholen, die in den vergangenen Jahren ausgefallen sind. Danach will sie sich überlegen, ob sie Vertretungen übernimmt oder irgendwo eine Festanstellung sucht.
Den Gedanken, die Apotheke abzugeben, hatte Jastram schon länger. Rund zwei Jahre habe sie nach einem Nachfolger gesucht. Doch in der Corona-Pandemie hätten sich die Interessenten einen solchen Schritt nicht getraut. „Den Rest hat Herr Lauterbach gemacht mit seiner Honorarkürzung. Es gibt keine Planbarkeit mehr im Beruf.“ Ihrem Team hat Jastram dann im Juli Bescheid gesagt, dass sie die Apotheke schließen wird. Angesichts des allgemeinen Personalmangels macht sie sich keine Sorgen, dass alle eine neue Stelle finden.
Ganz zum Schluss wurde sie in ihrem Entschluss noch einmal bestätigt: Ende des vergangenen Jahres gab es – wie vielerorts – einen personellen Engpass in der Papageien-Apotheke. Nach mehreren Wochen mit 70 Stunden Arbeitszeit sei sie dann kurz vor Weihnachten „zusammengeklappt“. Mit Sondergenehmigung durfte sie die Apotheke drei Tage schließen. Das sei die letzte Bestätigung für sie gewesen, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
In der Apotheke meldet sich jetzt nur noch die Mailbox: „Guten Tag, dies war der Anrufbeantworter der Papageien-Apotheke. Die Papageien-Apotheke ist seit dem 21.1.2023, 13 Uhr, endgültig geschlossen. Vielen Dank, dass Sie so lange unseren netten Kunden waren.“
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