„Sonst werden die Menschen auf ihre Apps hören“ APOTHEKE ADHOC, 28.03.2016 11:56 Uhr
Florian Schumacher hat sein Hobby zum Beruf gemacht: Er vermisst sich selbst und berät Unternehmen, wie sie das neue Wissen für digitale Sport-, Gesundheits- und Wellnessangebote nutzen können. Auch für Apotheken sieht er Potenzial, sich mit neuen Techniken abzugrenzen. Am Rande der Digitalkonferenz VISION.A erklärte er im Video-Interview, warum Apps das Verhältnis zwischen Arzt und Patient beeinflussen werden.
ADHOC: Wearables in der Apotheke: Wo sehen Sie Möglichkeiten?
SCHUMACHER: Wearables sind sicher auch für Apotheken spannend als Produkt im Sortiment. Der klassische Schrittzähler ist eine extrem erfolgreiche Applikation. Da gibt es einfache Lösungen, die für die klassische Apothekenzielgruppe geeignet sind. Noch spannender sind aber Selbsttests, mit denen ich meinen Vitamin D-Spiegel oder viele andere Dinge messen kann. Da wird aus meiner Sicht in Zukunft sehr viel Potential entstehen: Tests, die ich zu Hause durchführe, Pflaster, die Daten messen, und andere Dinge, die nicht klassische Wearables sind.
ADHOC: Ersetzen die Wearables dann irgendwann den Rat des Arztes oder Apotheker?
SCHUMACHER: Wearables liefern dem Patienten Informationen, die nicht immer einfach zu interpretieren sind. Insofern haben Arzt und Apotheker auch weiterhin eine wichtige Rolle. Sie müssen erklären, welche Bedeutung eine Information hat und was man tun muss , um die Werte zu verbessern. Denn der Wert als solcher ist ja kein Selbstzweck, nach wie vor muss man unter Umständen eine Therapie durchführen. Das Ganze stimmig zusammenzubringen, ist aus meiner Sicht eine Aufgabe, die der Apotheker fördern kann.
ADHOC: Angenommen ein gesunder Versicherter misst alle seine Werte und stellt sie der Krankenkasse zur Verfügung und bekommt dafür einen Bonus: Werden am Ende nicht alle Kranken diskriminiert?
SCHUMACHER: Wenn der Gesunde einen Bonus bekommt, würde dies zu einer Diskriminierung des Kranken führen. Ich denke, die Ansätze, die in diesem Bereich aktuell diskutiert werden, schauen weniger auf den aktuellen Gesundheitsstatus, sondern eher auf die zukünftige Perspektive. Man will den Einfluss, den die Person durch das eigene Verhalten ausübt, als Maßstab nehmen. Man kann darüber diskutieren, ob das ein faires Verfahren ist. Jemanden zu diskriminieren, der eine Krankheit bereits entwickelt hat, wäre nicht im Interesse der Bevölkerung.
ADHOC: Sie zitieren eine Studie, dass die Menschen ihren Apps mehr vertrauen als dem Arzt. Ist das so und ist das gut?
SCHUMACHER: Ja. Wenn ich selber Nutzer bin und Daten erfasse, dann habe ich natürlich im Alltag so viele Berührungspunkte damit, dass ich eine stärkere Beziehung dazu aufbaue. Wenn ich dann nur drei Minuten Zeit beim Arzt habe, dann reicht das einfach nicht aus. Insofern muss man hier eine Annäherung finden: Der Arzt muss mit den Daten vom Patienten arbeiten und umgekehrt muss der Patient auch die Daten vom Arzt bekommen. Hier muss wirklich ein Gespräch geführt werden, das beide Seiten berücksichtigt, nur so macht das Sinn. Sonst werden sich die Menschen mehr und mehr davon unabhängig machen und mehr und mehr auf ihre Apps hören.