Interview Dr. Matthias Melzig (FU Berlin)

„Ein Auslandsaufenthalt macht Studenten reifer”

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Berlin -

Ein Auslandsaufenthalt ist im Pharmaziestudium nicht vorgesehen. Dennoch zieht es Studenten in die Ferne. Professor Dr. Matthias Melzig, Leiter des Pharmazie-Instituts der Freien Universität (FU) Berlin, unterstützt ihre Pläne. Eine verlängerte Regelstudienzeit brächte mehr Freiräume, so sein Argument.

ADHOC: Welchen Mehrwert bringen Studenten, die im Ausland waren, deutschen Apotheken?
MELZIG: Ob sie einen Mehrwert für uns alle bringen, kann ich so nicht sagen. Aber den einzelnen Studenten bringt ein Auslandsaufenthalt weiter. Denn das erweitert den Horizont. Man schaut einmal über den eigenen Tellerrand, verbessert seine Sprachkenntnisse und lernt etwa in einem Praktikum, in internationalen Gruppen zu arbeiten. Das stärkt die Teamfähigkeit enorm. Mit dem Auslandsaufenthalt reift zudem die Persönlichkeit.
Außerdem nimmt man Vorteile wie Nachteile der deutschen Pharmazieausbildung und unseres Gesundheitssystems noch einmal differenzierter wahr. Man schätzt vielleicht auch mehr, was man in Deutschland hat. Einige Studenten, die in Großbritannien waren, haben mir beispielsweise gesagt: „Da wollen wir nicht arbeiten!“ Das staatliche Gesundheitssystem dort mit seiner noch härteren Sichtweise in Kostenfragen hat ihnen nicht gefallen. Ich unterstütze daher jeden Studenten, der ins Ausland gehen möchte. Denn das ist letztlich genau das, was wir uns von ihnen wünschen.

ADHOC: Was hält die Studenten zurück, solche Erfahrungen zu machen?
MELZIG: Viele schreckt es ab, dass ein Auslandsaufenthalt das Studium verlängert. Denn in der Approbationsordnung ist ein Auslandssemester nicht vorgesehen. Wer im Ausland studiert, kann sich diese Kurse nicht für sein Staatsexamen anerkennen lassen. Denn er müsste im Detail vor dem Landesprüfungsamt nachweisen können, dass die Fachinhalte mit den deutschen übereinstimmen. Das ist aufwändig – und sie sind es meist nicht gleichwertig. Die Lehre in der Pharmazie ist auch innerhalb Europas zu unterschiedlich, selbst in Fächern wie Chemie. Denn das deutsche Studium ist sehr grundlagenorientiert und außerdem schon früh auf das Arzneibuch ausgerichtet. In vielen Ländern gibt es weniger Praktika als in Deutschland, das Wissen wird nur theoretisch vermittelt.

ADHOC: Gibt es gar keine andere Möglichkeit?
MELZIG: Die Studenten können sich ihren Auslandsaufenthalt höchstens als Wahlpflichtfach anrechnen lassen. Aber dem entsprechen 112 Stunden, also ein Praktikum von knapp drei Wochen. Ein ganzes Semester wird damit nicht abgedeckt. Einige Studenten verbringen nach ihrem zweiten Staatsexamen die Hälfte ihres Praktischen Jahrs im Ausland. Das kann anerkannt werden, und sie verlieren keine Zeit.

ADHOC: Was würde es Studenten erleichtern, ins Ausland zu gehen?
MELZIG: Ich habe den Eindruck, dass sich schon jetzt immer mehr Pharmaziestudenten für einen Auslandsaufenthalt interessieren. Ihnen würde es helfen, die Regelstudienzeit auf ein Semester zu verlängern. Japan hat das kürzlich vorgemacht, das Pharmaziestudium ist dort nun sogar ein Jahr länger. Mit einer Verlängerung würde es nicht nur mehr Platz für die Inhalte der Approbationsordnung geben, sondern auch für mehr Wahlfächer. Studenten könnten diese im Ausland absolvieren und sich anerkennen lassen. Aber solche Änderungen benötigen immer viel Zeit. Die FU Berlin wird ab dem Wintersemester 2016 einen Aufbau-Masterstudiengang „Pharmazeutische Forschung“ anbieten, der Pharmaziestudenten nach dem zweiten Staatsexamen offen steht. Im Master ist es leichter möglich, ein Semester im Ausland zu studieren.

ADHOC: Warum wird nicht das ganze Studium auf das Bachelor- und Mastersystem umgestellt?
MELZIG: Ich bin kein Verfechter davon. Das würde ich mir gut überlegen. Die pharmazeutische Ausbildung ist grundsätzlich sehr gut, sie vermittelt den Studenten breite naturwissenschaftliche Kenntnisse. Vor allem ist sie deutschlandweit einheitlich. Was sich hinter 30 Leistungspunkten verbirgt, ist dagegen von Hochschule zu Hochschule unterschiedlich. Ich würde die Approbationsordnung nicht gerne aufgeben. Und sie ist flexibel genug, um fachlich Schwerpunkte zu setzen. Man könnte mehr Wert auf bestimmte Fachgebiete legen, wenn sich alle Universitäten auf Abstriche hier und dort einigen könnten.

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