Apothekerflüchtling

„Als hätte jemand mein Leben angehalten“

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Berlin -

Jamal Ghanem ist ein Nachwuchsapotheker – und Flüchtling. Er hat sein Pharmaziestudium an der Arabischen Internationalen Universität in Damaskus absolviert. Im Februar kam er als Flüchtling nach Hamburg. Seither steht sein Leben still; er wartet auf eine Aufenthaltsgenehmigung. Der 23-Jährige spricht mit APOTHEKE ADHOC über seine Flucht und unerwartete bürokratische Hürden.

ADHOC: Warum mussten Sie aus Syrien fliehen?
GHANEM: Im vergangenen Oktober habe ich mein Pharmaziestudium abgeschlossen. In Syrien ist vorgeschrieben, dass Männer nach dem Studium Wehrdienst leisten. Ich hätte also mit der syrischen Armee in den Krieg ziehen müssen. Ich war mir sicher, dass ich entweder beim Militär oder durch einen Terroranschlag sterben würde, wenn ich in Syrien bleibe. Kurz nach meinem Uniabschluss war ich mit meinem Auto unterwegs, als eine Bombe neben mir explodierte. Einen Monat war ich im Krankenhaus. Da wurde mir klar, dass ich Syrien verlassen muss.

ADHOC: Wie sind Sie geflohen?
GHANEM: Mit dem Auto von Damaskus zunächst in den Libanon. Ich wollte von Anfang an nach Deutschland, denn ich hatte sehr gute Dinge über Deutschland in den Nachrichten gehört. Und mir gefällt die deutsche Sprache. Ich bin also über Prag nach Hamburg eingereist.

ADHOC: Wie ging es dann weiter?
GHANEM: Im Februar bin ich in Hamburg angekommen. Dort bin ich in einem der Container an der Schnackenburgallee untergebracht worden. Ich hatte gedacht, dass ich problemlos eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen würde. Danach wollte ich so schnell wie möglich Deutsch lernen und in einer Apotheke arbeiten.

ADHOC: Aber das hat nicht geklappt?
GHANEM: Die Anerkennung meines Abschlusses hatte ich mir unkompliziert vorgestellt. Ich habe fünf Jahre Pharmazie studiert und mein Studium mit dem Bachelor abgeschlossen. Inzwischen weiß ich zwar, dass in Deutschland Pharmazie auf Staatsexamen studiert wird und dass es daher mit der Anerkennung schwieriger werden könnte. Aber die Arab International University hat eine Partnerschaft mit der Martin-Luther-Universität in Halle. Ich dachte, dass das die Anerkennung vielleicht einfacher macht. Aber soweit bin ich bisher gar nicht gekommen: Mir wurde gesagt, dass mein Asylantrag nicht ohne Weiteres genehmigt werden könne, weil ich zuerst in Tschechien angekommen bin. Daher läuft mein Antrag immer noch – und der Ausgang ist unsicher.

ADHOC: Was bedeutet das für Sie?
GHANEM: Ich war geschockt. Ich wollte nie nach Tschechien, ich will in Deutschland arbeiten. Meine Mutter und mein Bruder sind vor kurzem in Berlin angekommen und werden hier wahrscheinlich Aufenthaltsgenehmigungen bekommen. Die Luthergemeinde Hamburg unterstützt mich, sie hat mir einen Anwalt gestellt, der mir jetzt bei dem Asylverfahren hilft. Aktuell kann ich nichts machen – nur warten. Es ist, als hätte jemand auf eine Stopp-Taste gedrückt und dadurch mein Leben angehalten. Denn ohne Aufenthaltsgenehmigung wird mir auch kein Sprachkurs bezahlt. Aber ein privater Kurs kostet etwa 300 Euro, das kann ich nicht selbst tragen.

ADHOC: Wie verbringen Sie Ihre Tage?
GHANEM: Mit meiner Familie und meinen Freunden kommuniziere ich über Facebook und Whatsapp. Ich arbeite ehrenamtlich in der Kleiderkammer der Luthergemeinde. Außerdem gibt es die Organisation Welcome Dinner, über die Flüchtlinge von Hamburgern zum Abendessen eingeladen werden. An solchen Abendessen habe ich auch schon teilgenommen. Und ich sehe mir die Stadt an; ich mag die Alster, die Hafencity und die Landungsbrücken. Aber so richtig genießen kann ich das alles nicht: Meine Situation ist so unsicher, das habe ich immer im Hinterkopf.

ADHOC: Würden Sie gerne in einer Apotheke arbeiten?
GHANEM: Auf jeden Fall. Während meines Studiums habe ich schon ein fünfmonatiges Praktikum in einer syrischen Apotheke gemacht. So etwas möchte ich in Deutschland auch gerne machen, um im Apothekerberuf Fuß zu fassen. Aber natürlich muss ich vorher meine Aufenthaltsgenehmigung haben und richtig Deutsch lernen.

Das Interview mit Jamal Ghanem wurde auf Englisch geführt.



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