BGH: Jameda muss Beweise liefern dpa/APOTHEKE ADHOC, 01.03.2016 14:33 Uhr
Apotheken und Ärzte werden im Internet auf Bewertungsportalen empfohlen – oder zerrissen. Anbieter wie Jameda müssen künftig auf Verlangen konkrete Nachweise vorlegen, ob ein Nutzer tatsächlich in der kritisierten Praxis war. Der Bundesgerichtshof (BGH) gab damit einem Zahnarzt aus Berlin recht, der im Jahr 2013 eine extrem schlechte Bewertung erhalten und vergeblich auf Löschung geklagt hatte. Das Urteil habe weitreichende Folgen auch für andere Internetportale, die ihre Prüfprozesse nun anpassen müssen, sagte eine BGH-Sprecherin.
Im konkreten Fall hatte der angebliche Patient dreimal die Note 6 vergeben und dem Mediziner damit eine Durchschnittsnote von 4,8 verpasst. Das wollte der Arzt nicht hinnehmen und verlangte die Entfernung des Eintrags. Dem kam Jameda zunächst nach, stellte die Bewertung nach einer Prüfung jedoch wieder ins Netz. Im Anschluss forderte der Arzt Beweise dafür, dass der Patient tatsächlich bei ihm behandelt worden war. Dieser Prüf- und Nachweispflicht sei Jameda nicht ausreichend nachgekommen, so die Karlsruher Richter.
Im Interesse der Meinungs- und Medienfreiheit seien zwar Meldungen aller Art grundsätzlich zu dulden, aber: „Beanstandungen müssen sorgfältig und gewissenhaft geprüft werden.“ Im vorliegenden Fall hätte Jameda den Verfasser der umstrittenen Bewertung auffordern müssen, etwa Bonushefte oder Rezepte vorzulegen. Das habe Jameda aber versäumt.
Katharina Voigtland, Expertin für IT- und Medienrecht, bezeichnete die BGH-Entscheidung als „erfreuliches Urteil für die Stärkung des Persönlichkeitsrechts“. Künftig werde es für Betroffene leichter, sich gegen ungerechte Bewertungen zu wehren, fügte Volker Herrmann, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, hinzu. „Wir schweben nicht mehr im luftleeren Raum.“
Der BGH erkenne die Missbrauchsmöglichkeiten eines Bewertungsportals an „und versucht mit der Konkretisierung der Prüfpflichten des Portalbetreibers ein Gegengewicht zu schaffen“, sagte Martin Gerecke, Fachanwalt für Medienrecht. Die Prüfungspflichten, die der BGH im konkreten Fall auferlegt habe, seien sehr weitreichend, sagte der Wettbewerbsrechtsexperte Dr. Stefan Eck. Alle Betreiber von Bewertungsportalen müssten spätestens ab jetzt ernsthaft darüber nachdenken, wie sie mit der Verbreitung unberechtigter Kritik umgingen.
Die Portale müssen seit einem BGH-Beschluss aus dem Jahr 2011 zwar prüfen, wenn sich ein bewerteter Arzt oder Anwalt beschwert. „Das lief aber dann im stillen Kämmerlein ab, das Ergebnis wurde dem Beschwerdeführer dann mitgeteilt und das war's“, monierte Voigtland. „Wie soll ein Arzt sich wehren, wenn er gar nicht weiß, wogegen genau?“, kritisierte auch Herrmann die bisherige Praxis der Portale.
Der zuständige Senat des BGH stellte gleichzeitig aber klar, dass solche Nachweise weiterhin anonymisiert werden dürfen. Laut Telemediengesetz (TMG) dürfen personenbezogene Daten wie etwa der sogenannte Klarname eines anonymen Bewerters nur dann preisgegeben werden, wenn dieser einverstanden ist, wenn der Staatsanwalt ermittelt oder wenn etwa Urheberrechte verletzt werden.
Im Juni 2014 hatte der BGH den Fall eines Münchener Gynäkologen abgewiesen, der gegen Jameda geklagt hatte. Die Richter befanden, dass der Mediziner nicht einfordern kann, von Onlinebewertungsportalen gelöscht zu werden. Denn das Bewertungsportal entspreche dem „öffentlichen Interesse“ am Austausch im Internet, so die Begründung.
Jameda-Chef Dr. Florian Weiß sagte, man begrüße die Hinweise zur Konkretisierung des Prüfprozesses, die zu mehr Rechtssicherheit beitrügen. „Klar ist: Patienten können auch weiterhin anonyme Bewertungen abgeben. Niemand muss befürchten, dass persönliche Informationen ohne eigene Einwilligung weitergegeben werden.“
Die Hinweise würden nun unmittelbar in die Ausgestaltung der Prüfprozesse einfließen. Wie bisher sei man auch auf die Mithilfe der Patienten angewiesen: „Nur wenn diese sich im Rahmen des vorgeschriebenen Prüfprozesses auf unsere Anfragen zurückzumelden, können wir für den Erhalt kritischer Bewertungen eintreten.“