Interessierte Schüler, aber keine Pharmazie-Uni Deniz Cicek-Görkem, 28.11.2018 10:26 Uhr
Der Fachkräftemangel spitzt sich insbesondere in den Regionen zu, in denen es keine Pharmazie-Studienorte gibt. Einer davon ist Brandenburg. Die ansässige Landesapothekerkammer (LAK) setzt sich seit Jahren vergeblich dafür ein, dass auch in diesem Bundesland Apotheker ausgebildet werden können. Daran wird sich voraussichtlich vor 2025 auch nichts ändern. So bleibt der Apothekervertretung nur, vor Ort in Schulen für den Berufsstand zu werben.
Die Personalknappheit in Apotheken spüren Inhaber, die einen Nachfolger oder Verstärkung für ihr Team suchen. In Brandenburg ist die Situation zusätzlich kritisch, weil hier – wie auch in Bremen – nicht die Möglichkeit besteht, Pharmazie zu studieren. Vor Ort werden damit keine Apotheker ausgebildet, die dann direkt eine Stelle suchen. Apotheker, die zwangsläufig in anderen Bundesländern studieren, nicht zurück und stehen nicht für eine Anstellung in der Heimat bereit.
Kürzlich wurde diskutiert, einen neuen Standort an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) zu errichten. „Die Thematik wurde zwar vom Wissenschaftsministerium (MWFK) im Rahmen der Haushaltverhandlungen avisiert, sie ist dann aber im Rahmen der Haushaltsverhandlungen wegen Nichtfinanzierbarkeit fallen gelassen worden. Die Entscheidung, die zusätzlichen Mittel für einen Pharmaziestudiengang nicht aufzunehmen war das Ergebnis der regierungsinternen Abstimmung und steht damit im Einklang mit früheren Entscheidungen der Landesregierung, die Einrichtung eines Pharmaziestudienganges nicht vor 2025 vorzusehen”, erklärt eine Sprecherin des Finanzministeriums Brandenburg.
„Für Inhaber ist es in Brandenburg schwer, Personal zu finden. Apothekenmitarbeiter sind Goldstaub”, sagt Bettina Greinke von der LAK Brandenburg. Deshalb arbeite die Kammer eng mit der Arbeitsagentur und auch mit dem Berufsinformationszentrum (BIZ) zusammen. „Beispielsweise schulen wir Mitarbeiter der Arbeitsagentur in brandenburgischen Apotheken und werben im Schülerkalender der Arbeitsagentur.” In erster Linie seien allerdings Schüler die Zielgruppe: „Seit mehreren Jahren sind wir auf Bildungsmessen in Cottbus, Frankfurt (Oder), Prenzlau und Potsdam vertreten und nehmen jährlich rund zehn Termine wahr. Im vergangenen Jahr hatten wir rund 300 Gespräche mit interessierten Schülern. Dieses Jahr lag die Zahl bei über 400. Unser Ziel für das kommende Jahr ist es, auf den Messen noch mehr junge Menschen zu erreichen.”
Der Personalmangel in den deutschen Apotheken hat mehrere Gründe. Die LAK will bei Schülern und Studenten das Interesse für pharmazeutische Fächer wecken: „Wir möchten dem Fachkräftemangel entgegenwirken und engagieren uns, um Nachwuchs für alle Berufsgruppen der Apotheke zu gewinnen. Wir brauchen mehr Apotheker, PTA und auch PKA”, so Greinke. So gäbe es auch eine Kooperation mit dem „Lehrstellenmobil”. „Das ist ein Kleinbus, der von Schule zu Schule fährt und zu Ausbildungsangeboten informiert. Die Kammer Brandenburg ist auch hier vertreten und wirbt für den Nachwuchs”, so Greinke.
Ein aktuelles Projekt seien die Workshops an Schulen, die sie für Schüler der Klassen 8 bis 13 anbieten würden. „Apotheker vor Ort führen in den Schulen den Workshop durch und stellen die Berufsgruppen der Apotheke vor, zeigen Videos, arbeiten praktisch mit den Schülern und experimentieren, um die Berufsbilder plastisch erlebbar zu machen. Das wird von den Schülern sehr gut angenommen; die Resonanz ist äußerst positiv.”
Einer dieser Apotheker, der die Versuche durchführte, ist Christian Toll. Der Pharmazeut betreibt die Hirsch-Apotheke sowie die Alte-Apotheke in Angermünde. Er besuchte kürzlich Schüler der 9. Klasse des Einstein-Gymnasium im Ort und versuchte sie für die Welt der Pharmazie zu begeistern. „Ich habe drei Klassen besucht, einen Vortrag gehalten und diesen mit Praxisbeispielen kombiniert”, erzählt er. Zu den Themen gehörten unter anderem Möglichkeiten, Anforderungen, Eigenschaften und Verdienstmöglichkeiten des pharmazeutischen Personals. „Insbesondere bei den Fragen zur Forschung zeigten sich die Schüler neugierig.”
Aber auch Teedrogen habe er in die Runde gegeben. „Die Schüler mussten dann raten, um welche Arzneipflanze es sich dabei handelt.” Weiterhin bekamen sie Kapseln und Augentropfen in die Hand. An anschaulichen Experimenten sollte es an dem Tag auch nicht fehlen: „Ich habe beispielsweise einen rostigen Nagel in Cola eingetaucht oder auch Aktivkohle in Cola gegeben und dann filtriert. Außerdem habe ich zwei Gläser Bier einmal mit und einmal ohne Lefax versetzt, um ihnen die Wirkungen zu zeigen. Die Schüler waren sehr interessiert.”
Toll ist sich sicher: „Der Beruf des Apothekers hat eine 800-jährige Tradition und hat Zukunft”. Das versuchte er auch den Schülern näherzubringen um seinerseits einen Beitrag gegen den Fachkräftemangel in Apotheken zu leisten. Denn es dauert beispielsweise durchschnittlich 139 Tage, bis ein Arbeitsplatz für einen Apotheker besetzt wird. Diese werden händeringend gesucht, sowohl in der Apotheke als auch in anderen Bereichen wie Krankenkassen und Industrie. Die Pharmazeuten liegen damit im Mittelfeld der chronisch unterbesetzten Gesundheitsberufe. Aber auch PTA und PKA sind nachgefragte Apothekenberufe.
„Der Fachkräftemangel ist ein vielschichtiges Problem und ist nicht monokausal zu erklären”, sagt Professor Dr. Claus Paßreiter von der Universität Düsseldorf. Aus seiner Tätigkeit als Studienberater weiß er, dass Studenten bei der Wahl ihres Arbeitsfeldes unterschiedliche Schwerpunkte setzten: Der eine sei begeistert von der Offizin, den anderen ziehe es in die Forschung oder in andere Bereiche. „Gehalt, Aufstiegsmöglichkeiten, eigene Interessen, Bürokratie in der Apotheke, Auslandserfahrungen und Familienplanung sind beispielsweise Faktoren, die in den Apotheken für einen Fachkräftemangel sorgen. „Zudem ist es möglich, dass pharmazeutisch ausgebildetes Fachpersonal auch außerhalb der Pharmazie interessante Stellen findet, was ein weiterer Grund für den Mangel sein kann”, ergänzt er.