Flüchtlingsapothekerin

Zytoservice: Hamburg trifft Damaskus

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Berlin -

Bushra Alissa will so schnell wie möglich als Pharmazeutin arbeiten. Sie ist mit ihrer Familie aus Syrien geflohen. Beim Herstellerbetrieb Zytoservice bekommt sie nun vorerst als Praktikantin ihre Chance. Den Kontakt zum Unternehmen stellten zwei Hamburgerinnen her, die ein Mentoring-Programm für Flüchtlinge auf die Beine gestellt haben.

Alissa reiste im Dezember mit einem Visum nach Deutschland. Sie flog nach Hamburg, denn dort lebt ihr älterer Bruder bereits seit 20 Jahren. Er nahm seine beiden Schwestern und die Eltern zunächst bei sich auf. Inzwischen hat die Familie eine eigene Wohnung in Hamburg-Wedel.

Alissa ist 25 und hat ihr Pharmaziestudium erst kurz vor der Flucht abgeschlossen. Als Apothekerin gearbeitet hat sie daher noch nicht. Aber sie hat ein fünfmonatiges Praktikum in einer Apotheke in Damaskus absolviert.

In Deutschland kann ihr Abschluss bislang nicht anerkannt werden. „Ich habe gerade erst mein B1-Sprachzertifikat gemacht; ich benötige aber C1, zwei Stufen höher“, erklärt Alissa. Die fehlenden Sprachkurse will Alissa so schnell wie möglich absolviert. „Und ich möchte in einem Praktikum die Pharmazie in Deutschland kennenlernen“, ergänzt sie.

Damit hat sie nun begonnen. Denn sie hat in Pia Sundermann eine Mentorin aus der Pharmabranche gefunden. Sundermann ist in der Qualitätskontrolle bei Zytoservice tätig. Das Unternehmen stellt für Apotheken auf Einzelanforderung des Arztes patientenindividuelle Infusionslösungen her. Neben Zytostatika gehören zur Produktpalette auch parenterale Ernährungslösungen und Antibiotika.

Den Kontakt zwischen den beiden Pharmazeutinnen hat das Netzwerk Impact Dock der Unternehmerinnen Yukiko Kobayashi und Alexa-Andrea Drichelt hergestellt. Kobayashi war Managerin bei der Lufthansa und AstraZeneca, Drichelt führte ein Familienunternehmen. Beide waren auf der Suche nach einem sozialen Projekt für ihre Stadt Hamburg.

Nun bieten die beiden unter anderem das Cross-Mentoring-Programm an, das Schlüsselpersonen in Hamburger Unternehmen und qualifizierte Flüchtlinge für ein Jahr zusammenbringt. Das Programm wird mit Workshops sowie einer Evaluierung begleitet. Alissa wurde von ihrer Deutschlehrerin an Kobayashi empfohlen, die daraufhin mit Alissa über ihre Vorbildung gesprochen hat. Auf die teilnehmenden Betriebe kommt je nach Größe eine Servicegebühr zwischen 1000 und 4000 Euro zu. „Zytoservice zahlt als mittelgroßes Unternehmen 2000 Euro”, sagt Kobayashi.

16 erste Paare aus Hamburger Unternehmern und Flüchtlingen hat Impact Dock im Oktober gebildet. Kobayashi wünscht sich, dass beide Seiten aus dem Kennenlernen viel mitnehmen können. Die Unternehmer profitierten von der hohen Qualifikation und dem kulturellen Hintergrund der Mentees. „Die Flüchtlinge wiederum wünschen vor allem direkten Kontakt zu Hamburgern und wollen zugleich möglichst schnell in ihre Branche in Deutschland einsteigen“, so Kobayashi.

Da Alissa noch keine Arbeitserlaubnis hat, hat sie zunächst ein unbezahltes Praktikum von zweieinhalb Monaten begonnen, das ihr Sundermann zusammengestellt hat. Zwei Apotheken wird sie dabei kennenlernen. In der Zytoservice-Akademie wird sie sich zudem einen Überblick über die Tätigkeiten des Herstellbetriebs verschaffen.

Zytoservice-Chef Enno Scheel wollte sich für die Flüchtlinge engagieren, die in großer Zahl in Hamburg ankommen. Das Mentorenprogramm habe ihm zugesagt, auch weil es wissenschaftlich ausgewertet werde. „Wir wollen Bushra Alissa nun möglichst viele Bereiche der pharmazeutischen Tätigkeit zeigen“, sagt er.

Er wolle die Syrerin im Anschluss an ihr Praktikum bei den Behördengängen unterstützen, die auf dem Weg zur Approbation nötig seien. Wenn es ihr bei Zytoservice gefalle, sei eine Übernahme nicht ausgeschlossen. „Sie ist sehr zugewandt und motiviert“, sagt Scheel.

Das Mentorenprogramm beschränkt sich nicht nur auf berufliche Integration: „Wir beide treffen uns am Sonntag, um zusammen kochen“, erzählt Sundermann. Sollte ihr Abschluss nicht anerkannt werden, will Alissa in Deutschland nochmals Pharmazie studieren. Daher überlegen sie derzeit zusammen, welche Kurse aus ihrem Studium in Syrien anerkannt werden könnten.

Die nächsten Duos aus Zuwanderern und Unternehmern sollen im Februar zusammengebracht werden. „Wir haben bereits jetzt 20 interessierte Betriebe“, berichtet Kobayashi. Auch die Ring-Apotheke in Hamburg-Billstedt habe angefragt. Inhaber Dr. Han Liang Oei habe signalisiert, dass er einen Flüchtling betreuen wolle. „Im Bereich der Pharmazie scheint es da großes Interesse zu geben“, so Kobayashi.

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