Überschwemmungen, Pfützen und gut gefüllte Regentonnen: Nach starken Regenfällen in ganz Deutschland herrschen für Mücken so paradiesische Zustände wie selten. Für die Wespen sieht es dagegen weniger gut aus.
Ob Großstadt, Dorf, Wald oder Seeufer: Vor Mücken ist in Deutschland zur Zeit niemand sicher. Denn je mehr der Regensommer für Überschwemmungsgebiete und stehende Pfützen sorgt, desto besser können Mückenweibchen ihre Eier ablegen. Dr. Doreen Walther, Biologin am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) im brandenburgischen Müncheberg, weiß so ziemlich alles über ihre Gewohnheiten. „Die Mücken schreien hurra“, sagt sie. Wespen mögen es dagegen lieber trocken – und finden das Wetter derzeit nicht prickelnd.
Wo sind wir draußen sicher vor Mücken?
Nirgendwo. Es gibt zurzeit keinen Bereich, in dem es nicht surrt. An Flüssen, Bächen, Seen und Tümpeln lauern Überflutungsmücken. Im Wald sind es Waldmücken, die besonders groß werden und auf Spaziergänger mit Hund sowie Wanderer fliegen. In der Stadt sind es Hausmücken, die sich in gefüllten Regentonnen und anderen Gefäßen vermehren. Sie schwärmen besonders gern in der Dämmerung aus. Hausmücken sind flexibel, sie surren auch über Feldern.
Die Brutzeit der Mücken hat sich im warmen Regensommer bereits von vier auf zwei Wochen verkürzt – geht es jetzt noch schneller?
Nein, zwei Wochen sind wirklich das Minimum. Aber Mücken schaffen so bei guten klimatischen Bedingungen bis zu acht Generationen im Jahr, ihre Zahl potenziert sich damit. 2016 war schon ein gutes Mückenjahr, 2017 wird wahrscheinlich noch besser für sie.
Sind wir wenigstens im Hochhaus sicher vor Mücken?
Das kommt auf die Höhe an. Manche Mückenarten lieben Sex in hohen Bäumen. Bis zu 15 Meter hoch fliegen sie locker. Viel höher aber nicht, dann macht ihnen der Wind zu schaffen.
Wo und woran forschen Mückenexperten gerade?
Sie sind zum Beispiel auf Friedhöfen in Nordrhein-Westfalen unterwegs. Klingt schrägt – aber Friedhöfe sind ein Lieblingsort für Mücken: wegen gut gefüllter Blumenvasen, Wasserbassins und Blumen sowie Wildtieren und Besuchern als „Blutspendern“. Den Wissenschaftlern geht es um die Kartierung der Verbreitung eingewanderter Arten wie der Asiatischen Buschmücke. Sie ist bereits in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Thüringen und Niedersachsen zu Hause. Das Mückenjahr motiviert viele Bundesbürger aber auch, erlegte Exemplare zur Bestimmung für den Mückenatlas einzuschicken. 50 bis 60 Sendungen kommen gerade pro Tag in Müncheberg an. Der Mückenatlas sammelt seit 2012 Infos über die Verbreitung von Stechmücken in Deutschland.
Was sollte jeder über Mücken wissen?
Es gibt 28 Mückenfamilien in Deutschland. Davon stechen allerdings nur drei zu – Stechmücken, Kriebelmücken und Gnitzen. Es piksen jeweils nur die Weibchen, weil sie Proteine aus dem Blut für ihre Eibildung benötigen. Stiche jucken, weil Mücken mit Stoffen aus ihrem Speichel unter anderem die Blutgerinnung verhindern. Darauf regiert das menschliche Immunsystem – je exotischer die Mückenart in Deutschland ist, desto heftiger. Krankheiten haben Mücken in Deutschland bisher aber nicht übertragen. Mücken leben in der Regel nur wenige Wochen. Sie haben eine wichtige Funktion im Ökosystem und sind zum Beispiel Futter für Spinnen, Fische, Amphibien, Libellen, Fledermäuse und Vögel.
Wie sieht es mit anderen Plagegeistern aus – etwa den Wespen?
Wegen des vielen Regens gibt es in diesem Sommer vergleichsweise wenig Wespen. „Wespen mögen es am liebsten trocken, warm und heiß“, sagte Julian Heiermann vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu). „Aber wir hatten in den vergangenen Wochen große Niederschläge. Für Wespen ist sowas gar nicht prickelnd.“ Bei feucht-warmem Wetter gebe es Schimmelpilze an ihren Nestern, zudem fänden sie dann weniger Nahrung. Gänzlich Entwarnung gibt es aber noch nicht. Sei es in den kommenden Wochen dauerhaft warm und trocken, werde man vermehrt auch Wespen beobachten.
Gibt es noch mehr Faktoren, die Wespen und anderen Insekten zu schaffen machen?
Noch im Frühjahr seien die Wespen-Völker enorm gewachsen, sagt Martin Klatt, Referent für Arten- und Biotopschutz beim Nabu Baden-Württemberg. „Doch der Einsatz von Pestiziden in Landwirtschaft und Garten sowie das Insektensterben machen auch den Wespen das Leben schwer.“ Insgesamt sind viele Insektenarten in Deutschland stark zurückgegangen. Zu den Gründen zählen Experten nicht nur die Spritzmittel, sondern etwa auch zunehmend fehlende Ackerrandstreifen und weniger insektenfreundliche Pflanzen in Gärten.
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