Sie greifen gern in der Dämmerung an, stechen gnadenlos zu und laben sich am Blut ihrer Opfer: Stechmücken können einen Abend im Freien zur Qual werden lassen, von der am Tag danach noch juckende Beulen zeugen. In diesem Jahr scheint es vielerorts besonders schlimm zu sein. Fachleute sehen ein Süd-Nord-Gefälle. „Generell kann man sagen: Der Süden Deutschlands ist extrem betroffen“, sagt die Biologin Doreen Walther vom Leibniz-Zentrum für
Agrarlandschaftsforschung (ZALF). Sie arbeitet am „Mückenatlas“ mit, der die Stechmückenarten in Deutschland und ihre Verteilung erfassen soll.
Vor allem am Oberrhein, am Bodensee und in Teilen Bayerns wird derzeit heftig über die lästigen Blutsauger geklagt. Die Mückenjäger von der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (Kabs) am Oberrhein sprechen gar vom schlimmsten Jahr seit dem Start ihrer Arbeit vor 40 Jahren und erheben bei ihren Mitgliedern eine Sonderumlage.
„Die intensive Bekämpfung in diesem Jahr hat die finanziellen Mittel der Kabs restlos erschöpft.“ Auf mehr als 30.000 Hektar haben sie die Plagegeister in dieser Saison bislang bekämpft, das ist so viel wie noch nie. Stechmücken werden in der Region Schnaken genannt, haben aber nichts mit den eigentlichen Schnaken (Tipulidae) zu tun, die harmlos sind.
Dass Stechmücken in diesem Jahr so massiv auftreten, hängt mit dem vielen Regen zusammen. Die sogenannten Überschwemmungsmücken legen ihre Eier in Ufernähe oder in Flussauen ab. Werden sie überspült, schlüpfen die Larven. Andere Vertreter der stechenden Zunft – zum Beispiel die Hausmücken – deponieren ihre Eier in Regenfässern, wieder andere nisten in wassergefüllten Baumhöhlen. 2014 und 2015 seien wegen der Trockenheit „aus Sicht der Mücke extrem schlechte
Jahre“ gewesen, sagt Walther. Der Regen dieses Jahres dagegen lasse „die Mücken in die Hände klatschen“.
Der Süden war besonders betroffen. Am Oberrhein wurden elf Hochwasserwellen gezählt. Zeitweise erschwerten die Überschwemmungen den Mückenjägern von der Kabs die Arbeit, weil sie zu Fuß nicht mehr überall hinkamen. Sie bekämpfen die Mücken mit dem biologischen Mittel Bti, das sie am Boden mit Spritzen oder vom Hubschrauber aus ausbringen. Sie sind nach eigenen Angaben seit über 90 Tagen mit etwa 300 Mitarbeitern im Einsatz, um eine „katastrophale Schnakenplage“ zu verhindern.
Regionen mit mehr Mücken gibt es nach Walthers Angaben in diesem Jahr auch in Niedersachsen und Brandenburg. Besser stünden Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern da, die über weite Strecken einen wunderschönen Sommer erlebten. „Wenig Niederschläge, wenig Mücken“, so die Biologin. Ein besonderes Augenmerk legen die Forscher auf die eingewanderten Arten, von denen einige hier schon Fuß gefasst haben. Dazu gehört die Asiatische Tigermücke, die schon in Baden-Württemberg und Thüringen nachgewiesen wurde und auch den Winter bereits überstanden hat. Sie kann Krankheitserreger wie Dengue- oder Zika-Viren übertragen - wenn sie vorher einen infizierten Menschen gestochen hat.
Mit Angaben zur Zahl der Mücken in Deutschland tun die Experten sich schwer. „Das Problem ist: Außer den Daten der Kabs gibt es keine Daten für den Rest der Republik zum Vergleich“, sagt Elke Reinking vom Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit (FLI), das ebenfalls am Mückenatlas beteiligt ist. „Es gibt keine zentrale Stelle in Deutschland, die das sammelt.“ Gewiss dagegen ist, dass die Zeit der Mücken noch nicht vorbei ist. „Eigentlich ist August die Hochzeit“, sagt Reinking. Es gebe, je nach Witterung, eine Spitze im Frühsommer, dann im August/September und manchmal im Oktober noch einmal.
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