DAK-Bashing bei PlusMinus APOTHEKE ADHOC, 18.02.2016 09:08 Uhr
Krankenkassen sparen einerseits bei den Hilfsmitteln für Kranke, locken aber andererseits junge Versicherte mit Prämien. Dieser Diskrepanz hat sich das ARD-Magazin PlusMinus angenommen. Besonders die DAK-Gesundheit muss Kritik einstecken: Der Ehemann einer Patientin erzählt, wie sie erst Windeln bekam, die ihr in die Leiste schnitten – und dann gar keine mehr.
Die Ehefrau des Mannes ist seit 18 Jahren ein Pflegefall und benötigt im Monat rund 180 Inkontinenzwindeln. Der Mann kritisiert, dass ständig andere Windeln kämen und die Qualität immer schlechter werde. Als plötzlich gar keine Windeln mehr geliefert wurden, musste er sie selbst kaufen. 200 Euro im Monat seien angefallen – doch die DAK habe zunächst lediglich für den ersten Monat 35 Euro erstattet. Erst nachdem er einen Anwalt eingeschaltet habe, habe sich die Kasse entschuldigt und die Kosten für die Windeln übernommen, nicht jedoch für den Anwalt.
PlusMinus erklärt, dass die DAK nur 12,50 Euro pro Monat für die Windelversorgung übernehme. Für Professor Dr. Rolf Rosenbock, den Vorsitzenden des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, ist das ein Skandal: Für Menschen mit Inkontinenz gehöre eine Versorgung mit qualitativ hochwertigen Windeln zur medizinischen Grundversorgung, sagte er gegenüber PlusMinus. Es sei deshalb inakzeptabel, wenn Unterbrechungen oder Herstellerwechsel und sonstige Unzuverlässigkeiten in der Belieferung und der Versorgung aufträten.
Die DAK selbst erklärte gegenüber dem Magazin: „Bei nicht ausreichenden Produkten muss der Lieferant nachbessern und ein anderes Produkt zur Verfügung stellen.“
Bei anderen Kassen sieht es offenbar nicht viel besser aus. PlusMinus stellt einen Patienten vor, der an Multipler Sklerose leidet und den linken Fuß nicht mehr richtig bewegen kann. In einem Sanitätshaus probiert er eine spezielle Elektronik für 6000 Euro aus, mit der er den Fuß richtig heben kann. Doch die AOK bezahle ihm nur eine einfache Orthese für 800 Euro. Diese habe bei Weitem nicht den gleichen Nutzen.
„Kranke Menschen, die eigentlich angemessen versorgt werden sollten, müssen mühsam kämpfen“, so das Fazit der Autoren. Gesunde und Fitte hingegen würden von den Kassen mit Zuschüssen für Apple Watches oder fürs Fitnessstudio umworben und bekämen Prämien für den Besuch von Vorsorgeuntersuchungen oder die Teilnahme an Sportkursen – es winken ein Akkuschrauber oder eine Digitalkamera.
„Hier liegt ein Fehler im System“, so Rosenbrock. Der Gesetzgeber habe die Krankenkassen zueinander in Wettbewerb gesetzt. „Und in diesem Wettbewerb sind für die Krankenkassen junge und gesunde, gutverdienende Versicherte sehr viel interessanter als kranke und alte Menschen.“ Deshalb seien die Kassen zu jungen und gesunden Versicherten sehr viel großzügiger als zu kranken Menschen.
Bei der IKK beispielsweise dürften die Versicherten für einen kleinen Eigenanteil in einen Wellnessurlaub im 4-Sterne-Hotel, berichtet PlusMinus. Zwei Gesundheitskurse müssen dort besucht werden. Professor Dr. Ingrid Mühlhauser, Gesundheitswissenschaftlerin an der Universität Hamburg, bezweifelt den Nutzen: Die wissenschaftliche Beweislage für solche Maßnahmen sei schlecht. Zum Teil sprächen die Daten sogar dagegen, dass man es überhaupt durchführe.
Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), sieht laut PlusMinus dennoch keinen Anlass, etwas am Bonussystem der Krankenkassen zu ändern. Lediglich bei den Hilfsmitteln will er die Kassen unter Druck setzen: „Weil die so schludrig gearbeitet haben, um das mal ganz deutlich zu sagen, finde ich, muss der Gesetzgeber jetzt einfach das Gesetz schärfen, dass der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen gezwungen ist, ständig die sogenannte Heilmittel- und Hilfsmittelrichtlinie zu überarbeiten.“
Immerhin: Im Dezember hat der GKV-Spitzenverband das Hilfsmittelverzeichnis im Bereich der Inkontinenzprodukte komplett überarbeitet. In erster Linie geht es um die Produktqualität, doch auch für das Dienstleistungsniveau sollen erstmals konkrete Kriterien festgeschrieben werden. Die Patienten sollen wieder stärker wohnortnah versorgt werden.