Infektionskrankheiten

Masernausbruch in Berlin

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Berlin -

Die Masern grassieren derzeit in Berlin besonders stark. Der Ausbruch ist nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) bundesweit einer der größten seit Geltung des Infektionsschutzgesetzes aus dem Jahr 2001. Seit Beginn der Ansteckungswelle im Oktober seien bis Ende Januar 375 Menschen erkrankt – über die Hälfte davon waren Erwachsene.

Mehr als 100 Patienten kamen nach der Statistik des Landesamtes für Gesundheit und Soziales bisher ins Krankenhaus. Allein im Januar gab es 254 neue Masern-Fälle in Berlin. In der vierten Woche des neuen Jahres waren es mit 82 laut RKI für Berlin so viele wie noch nie seit 2001. Fast 90 Prozent der bisher befragten 335 Patienten gaben an, nicht gegen Masern geimpft zu sein.

Der Berliner Ausbruch begann nach Angaben der Behörden im Oktober unter Asylbewerbern aus Bosnien, Herzegowina und Serbien. Ein Grund dafür sei gewesen, dass in den Bürgerkriegswirren der 1990er Jahren in Ex-Jugoslawien nicht mehr routiniert geimpft werden konnte. Wenige Wochen nach den ersten Erkrankungen gehörte schon mehr als die Hälfte der neuen Berliner Masern-Patienten zur angestammten Bevölkerung. Grund: fehlender Impfschutz trotz vielfältiger Angebote.

„Der Berliner Ausbruch ist ein herber Rückschlag“, sagt Dr. Anette Siedler, Leiterin des Fachbereichs Impfprävention am RKI. „Insgesamt ist der Impfstatus in der Bevölkerung zu gering.“ Ursprünglich wollte Deutschland die Masern bis 2015 ausgerottet haben. Ginge es nach den Zielen der Bundesregierung, dürfte es in Deutschland demnach in diesem Jahr nicht mehr als 82 Masern-Erkrankungen geben – wohlgemerkt bundesweit.

Es ist auch sehr viel passiert. Bei Kindern haben sich die Impfquoten seit dem Jahr 2000 erheblich verbessert, wie Untersuchungen zum Schulbeginn belegen. Bei der Erstimpfung liegen sie heute bei 96,7 Prozent, beim zweiten Piks bei 92,4. Aber erst ab 95 Prozent kann eine Eliminierung der Krankheit langfristig gelingen. Und noch immer wird jedes dritte Kleinkind in Deutschland nach einer Studie von 2013 nicht zur rechten Zeit und nicht genügend gegen Masern immunisiert.

Ulrich Fegeler, Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, wundert der Ausbruch in Berlin trotz aller Fortschritte bei der Prävention nicht: „Die Politik tut einfach noch zu wenig, das ist ein Eiertanz.“ 2013 hatte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) laut über eine Impfpflicht bei Masern als letztem Mittel nachgedacht – wie früher, als es um die Ausrottung der Pocken ging. Gehör fand er nicht. Fegeler fände es schon hilfreich, wenn alle öffentlichen Einrichtungen von der Kita bis zur Schule einen Impfnachweis vor der Aufnahme eines Kinder verlangten.

Denn seit langem herrscht Konsens darüber, dass Masern keine harmlose Kinderkrankheit sind. Die Infektion ist hochansteckend und schwächt das Immunsystem. Folgen können im schlimmsten Fall Gehirnentzündungen sein – manchmal mit lebenslangen Schäden wie geistigen Behinderungen. Zwei von 1000 Patienten sterben nach den RKI-Statistiken an den Folgen einer Masern-Infektion.

Schon für Säuglinge, deren Mütter nicht geimpft sind, kann sie hochgefährlich werden. Denn dann greift kein Nestschutz – und unter elf Monaten sollen Kleinkinder nicht gegen Masern immunisiert werden. Hilflos gegenüber den Erregern, die sich schon durch einfaches Niesen übertragen lassen, können aber alle Menschen mit chronischen Erkrankungen und schwachem Immunsystem sein, ergänzt Fegeler. „Meiner Meinung nach ist es für jeden ein Gebot der Verantwortung, selbst für einen ausreichenden Impfschutz zu sorgen.“

Zwang hält Siedler allerdings für den falschen Weg. Verpflichtende Impfnachweise an Schulen hätten in den USA wenig gebracht. Auch dort läuft gerade eine Masernwelle, die im Dezember im Disneyland in Kalifornien ihren Anfang nahm. Bereits 100 Kranke im Januar lassen die Behörden nervös reagieren. Denn sie glaubten, die Masern im Griff zu haben. Nun zeigt sich, dass Ausnahmegenehmigungen der Wunsch-Impfquote entgegenwirken.

Siedler setzt daher in Deutschland auf Information und Überzeugung. Doch auch die RKI-Expertin warnt: „Masern sollte man auf keinen Fall auf die leichte Schulter nehmen, weder bei Erwachsenen, noch bei Kindern“. Erwachsene erkrankten in der Regel sogar schwerer. „Wer das einmal hat, wünscht sich oft, er hätte sich impfen lassen.“

Doch alle großen deutschen Ausbrüche, die vor zwei Jahren zur zeitweiligen Schließung von Schulen führten, hätten nur einen kurzen „Aha-Effekt“ ausgelöst. Nötig sei ein anderes Bewusstsein. Viele Eltern hätten das zum Schutz ihrer Kinder bereits entwickelt, vor allem seit die Impfungen an Vorsorge-Untersuchungen gekoppelt sind. Was fehlt, seien oft die Erwachsenen selbst.

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