Jeder fünfte Erwachsene ist in Südafrika mit dem Aids-Erreger HIV infiziert – das sind sieben Millionen Menschen. Bei solchen Zahlen kann man eigentlich nicht von guten Nachrichten sprechen. Doch es gibt Entwicklungen, die hoffen lassen: Die Zahlen der Neuinfektionen sind rückläufig, mehr Menschen sind in Behandlung und weniger sterben an der Krankheit.
Die Zahlen der Neuinfektionen sind rückläufig, mehr Menschen sind in Behandlung und weniger sterben an der Krankheit. Nach 16 Jahren kommt die Welt-Aids-Konferenz nun wieder nach Südafrika. Wissenschaftler und Experten tagen vom 18. bis zum 22. Juli in Durban – dieses Mal unter viel besseren Vorzeichen. „Der große Kampf wurde gewonnen“, sagt Wolfgang Preiser von der Stellenbosch Universität in Kapstadt. Der Virologe forscht dort zu HIV und Aids.
Ein Kampf war es damals wirklich. Die 2000er waren vor allem geprägt von der Leugnung der Krankheit. Der damalige Präsident Thabo Mbeki weigerte sich, einen Zusammenhang zwischen HIV und Aids anzuerkennen. Südafrikas ehemalige Gesundheitsministerin Manto Tshabalala-Msimang warb dafür, mit Knoblauch, Kartoffeln und Rote Beete die Widerstandsfähigkeit zu stärken, statt auf Medikamente zu setzen.
Mbekis Regierung stellte lebensnotwendige Medikamente nicht zur Verfügung. Zehntausende starben. Kaum einer erhielt antiretrovirale Medikamente, die eine Vermehrung der Viren im Körper und damit das Fortschreiten der Krankheit langfristig verhindern können. Erst Mitte des Jahrzehnts änderte sich die Politik langsam – unter internationalem Druck und durch das Engagement von Aktivisten im Land.
Verschärft wurde die Lage in den 1990er Jahren durch die Weigerung vieler Männer, Kondome zu benutzen, erklärt Hanspeter Reihling von der Universität Amsterdam, der zum Thema Männlichkeit und Aids forscht. Dahinter standen Vorurteile gegenüber dem Verhütungsmittel. Schwarze Südafrikaner hätten darin häufig ein von Weißen erfundenes Mittel zur Unterdrückung gesehen, dass ihre Fortpflanzung eindämmen solle. „Das war vor allem ein Diskurs nach dem Ende des Apartheidregimes.“ Es sei anfänglich ein Problem gewesen, das zur Ausbreitung der Epidemie beigetragen habe. „Heute spielt das eigentlich keine Rolle mehr.“
Die schwarze Bevölkerung des Landes ist aktuell viel stärker von Aids betroffen als die weiße. Häufig werden noch immer vor allem schwarze Männer aus Townships im Alltag diskriminiert, fänden schlechter einen Job, erklärt Reihling. Diese Schwäche im Beruf glichen viele im Privaten mit vermeintlicher Stärke aus. „Dazu gehört es auch, nicht so stark auf Gesundheitsfürsorge zu achten und keine Verletzlichkeit zu zeigen.“ Allerdings sei es ein Fehler, beim Thema Aids immer nur auf die schwarze Bevölkerung, speziell Männer, zu schauen. „Das verschärft die Stigmatisierung nur“, sagt der Experte.
Besonders gefährdet sind außerdem junge Frauen in den Armenvierteln: Ihnen fehlt die nötige Bildung sowie die soziale und wirtschaftliche Unabhängigkeit. Das Problem beginnt schon bei Teenagern – oft mit den sogenannten „Sugar Daddies“ – älteren Männern, die ungeschützten Geschlechtsverkehr mit jüngeren Frauen suchen. „Lasst unsere jungen Mädchen in Ruhe“, forderte Vizepräsident Cyril Ramaphosa im Juni zum Start einer neuen Kampagne, die Mädchen vor HIV schützen soll.
Generell setzt man in Südafrika auf Aufklärung. Ein großer Teil des Budgets für Gesundheit fließt in die Behandlung von Aids und Aufklärungsprogramme. „Hier bräuchte man trotzdem mal eine richtige PR-Kampagne“, kritisiert Preiser. Kondome seien immer noch schwieriger an den Mann zu bringen als teure Smartphones. Mit der Entwicklung in den vergangenen Jahren ist er dennoch zufrieden. „Früher wurden nur die Schwerkranken behandelt“, sagt er. Heute sei man viel weiter – die Behandlung beginne früher, bei infizierten Babys etwa werde sofort eine lebenslange Therapie gestartet. Der Zugang zu Medikamenten sei generell besser.
Ziel der Regierung und des Aidsprogramms UNAIDS der Vereinten Nationen ist es, dass bis zum Jahr 2020 rund 90 Prozent der Infizierten von ihrer Infektion wissen – und 90 Prozent von ihnen eine Therapie erhalten. Es läuft inzwischen fast so gut, dass den Aktivisten im Kampf gegen Aids etwas der Schwung fehlt. „Die haben viel erreicht in der Vergangenheit“, sagt Preiser. „Aber gerade ist da so ein bisschen die Luft raus, es fehlt der Gegner.“
16 Jahre nach Südafrikas erster Welt-Aids-Konferenz hat man es sich vielleicht ein bisschen zu bequem gemacht. Das Problem wirkt weniger akut als in den 1990er Jahren – obwohl die Zahlen immer noch alarmierend sind. Nur knapp die Hälfte aller Betroffenen erhält überhaupt eine antiretrovirale Therapie. Der Anteil hat sich damit zwar in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt. Am Ziel aber ist Südafrika noch lange nicht.
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