Infektionskrankheiten

Der Zwei-Klassen-Kampf gegen Zika

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Rio de Janeiro -

Es gibt ein großes Problem. Aber da, wo es am größten ist, wird es kaum angegangen. So läuft das mit Brasiliens „Krieg“ gegen die Zika übertragenden Moskitos. Besuch in einer Favela, in der auch ein früherer Hamburger Innensenator wohnt - und gegen Brutstellen kämpft.

In der Krankenstation ist es schön kühl – keine Wohlfühlraum für Moskitos. Das ist die große Ausnahme in der Favela Pavão-Pavãozinho: Kaum ein Haushalt kann sich Klimaanlagen leisten. Und auf kostenlose Moskitosprays warten die Bewohner seit Beginn der Zika-Epidemie vergeblich. Hier, wo es überall nur so von Moskitos wimmelt, zeigt sich, dass die Armen die Verlierer sind im Kampf gegen das Virus.

Antonia do Nascimento ist in der Krankenstation und sucht den Rat der Ärzte. Sie ist in großer Sorge: Im sechsten Monat schwanger hat sie Zika-Symptome ausgemacht. Sie zeigt den gewölbten Bauch, kleine rote Punkte sind zu sehen. Sie spreizt immer wieder die Finger. „Ich habe Gelenkschmerzen“, sagt die 31-Jährige. Sie wohnt hier in Rio de Janeiro, am Berg über der Copacabana. Sie soll nun erst einmal eine Woche warten, ob die Symptome abklingen, dann soll ein Blut-Test Gewissheit geben. „Ich kriege nachts kaum noch ein Auge zu.“

Es ist nur ein Verdacht, aber er macht Schwangere wahnsinnig vor Angst in Brasilien, dem am stärksten von der Epidemie betroffenen Land: Kann die durch Moskitostiche übertragene Zika-Infektion bei Schwangeren das Gehirn der Föten schwer schädigen und sie mit viel zu kleinen Köpfen zur Welt kommen lassen? Insgesamt ist das Virus in 40 Ländern aufgetaucht, doch noch immer ist diese ganz entscheidende Frage ungeklärt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rechnet erst in vier bis sechs Monaten mit Klarheit.

Geschätzt 1,5 Millionen Menschen leben in der Olympiastadt 2016 in Armenvierteln, 25 Fälle der mysteriösen Infektion gibt es allein schon in dieser kleinen Favela. Es geht hoch hinauf mit einem Aufzug, der Blick auf Meer und Strände ist fantastisch. Die Armen schauen auf die Reichen hinab. An der Endstation stinkt und schwirrt es: Zwölf orangefarbene Mülltonnen stehen da, vier sind offen - ein Paradies für die herumfliegenden Moskitos. Pfützen, kleine Kanäle entlang des Weges, ständig Orte, an denen Moskitos mit Wonne Eier ablegen und sich vermehren.

Die Stadtverwaltung betont, dass in der ganzen Stadt, auch in den Favelas, nun dauerhaft über 3000 Fachleute zur Eindämmung der Moskitoplage im Einsatz seien. Aber auch im besonders stark betroffenen Nordosten mit dem „Epizentrum“ Recife sind es besonders die armen Gegenden, in denen Moskitos und Zika sich ausbreiten.

„Nichts, Null“, regt sich ein muskulöser Mann auf, den in Pavão alle nur Rocky Balboa nennen. „Sie versprechen Hilfe, aber hier hat sich keiner blicken lassen.“ Staatspräsidentin Dilma Rousseff ließ 220.000 Soldaten ausschwärmen – die aber aus Angst vor Auseinandersetzungen die meisten Favelas mieden. Während Soldaten unten an der Copacabana Flugblätter verteilten mit Schutztipps gegen die Moskitoart Aedes aegypti, die Zika überträgt, fühlen sich die Favelabewohner im Stich gelassen. „Hier hat auch noch keiner Pestizide versprüht“, so Rocky.

Hier können sie auch nur müde über die Sorgen um Touristen und Sportler bei den Olympischen Spielen lächeln – zumal es im August in Rio wegen des brasilianischen Winters kaum Moskitos gibt. Oft reicht das Geld nicht, um die Kinder gut einzusprühen, durch die tropische Hitze ist das T-Shirt in der Favela ein eher selten benutztes Textil.

Auch Ronald Schill bevorzugt den oberkörperfreien Stil. Der frühere Hamburger Innensenator („Richter Gnadenlos“) hat sich hier vor dreieinhalb Jahren ein einfaches Häuschen gekauft, 570 Stufen sind es bis dorthin, dafür hat er einen Traumblick auf die Copacabana. „Hier gibt es ideale Brutgebiete für Moskitos“, meint er – und hat eine besondere Schwachstelle ausgemacht: die kleinen Wassertanks, die auf jedem Häuschen stehen. „Bei Stürmen fliegen die Deckel weg.“ Dann können die Moskitos sich prächtig vermehren. Die Deckel sind recht teuer, darum bleiben die Tanks meist dauerhaft offen.

Schill sagt, er habe eine Zeit lang selbst den Abtransport des Mülls finanziert, damit er nicht in die Schlucht am Hang gekippt wird – wo dann weitere Brutstellen für Moskitos entstehen. Dann sei er länger in Deutschland und anschließend alles wieder wie zuvor gewesen. Schill ist erneut auf dem Sprung in die alte Heimat, nach „Big Brother“ und anderen „Unterhaltungsformaten“ wird er bald wieder im Fernsehen zu sehen sein.

Eines kann Schill bei der Zika-Debatte nicht verstehen. „Das ist doch ein totaler Medien-Hype“, sagt er. „80 Prozent der Infizierten merken es doch gar nicht.“ Viel schlimmer sei Dengue – mehr als 800 Menschen starben daran in Brasilien allein im vergangenen Jahr.

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