Ferienzeit

In der Urlaubsapotheke: Inkognito oder als Kollege outen?

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Berlin -

Endlich ist es so weit und Anja Alchemilla kann ihre Filiale in vertrauensvolle Hände legen – sie hat Urlaub. Und was könnte man da Schöneres tun als nach dem Strandspaziergang noch einen wenig durch die Stadt zu bummeln und sich Apotheken anzuschauen?

An der Ostsee kann sie herrlich entspannen – ein weites Meer, ruhige Menschen und die gute Seeluft. Die ungewohnt steife Brise hat allerdings auch ihre Tücken: Anja hat Ohrenschmerzen und nichts Passendes in ihre umfangreiche Urlaubsapotheke gepackt. Also muss sie einen Kollegen aufsuchen, um etwas gegen ihre Schmerzen zu unternehmen. In der Innenstadt angelangt, schaut sie sich erst einmal in Ruhe die Apotheken an. Auffällig sind vor allem die Schaufenster. Nicht so ein langweiliges Einerlei von freudlosen Pappkameraden. Auch keine furchtbare Hämorrhoiden-Magen-Darm oder Rotznasen-Attacke auf die geplagten Apotheker-Sehnerven. Maritimes wohin das Auge reicht. Hier ein Strandkorb, dort werden sogar die Werke lokaler Künstler im Schaufenster präsentiert, und hier sieht man ein komplettes Schlafzimmer.

Genauer gesagt ein Bett mit Nachtschränkchen, vor dem Bett liegt Frauen und Männerbekleidung in wildem Durcheinander, die Bettdecken sind zerwühlt. Auf einem erklärenden Schild steht geschrieben: „Wir sind für Sie da. Egal für was Sie uns brauchen!”. Und präsentiert werden Kondome, Gleitmittel, ein Diaphragma und ein Schwangerschaftstest. Das ist ja mal ein Hingucker! Anja ist begeistert.

Endlich keine 08/15-Werbung mit Pappkameraden der ewig gleichen Hersteller. Austauschbar wie die Rewe-Märkte in Hamburg oder München. Mutig ist es außerdem, so unbefangen mit Tabuthemen umzugehen. „Hier gehe ich rein und schau mal was die so drauf haben!”, denkt sie zuerst. Und dann: „Andererseits habe ich Urlaub. Ich will ja nur etwas gegen die Ohrenschmerzen holen und nicht die Kollegen hier auf den Prüfstand stellen”. Sie ist unsicher, ob sie erwähnen soll, dass sie auch Apothekerin ist.

Zu oft schon hat sie selbst unangenehme Erfahrungen mit Berufskollegen gehabt. Ein Beispiel ist der Apotheker im Ruhestand, der Kunde in ihrer Filiale ist. Niemand reißt sich darum, ihn zu bedienen. Er weiß einfach immer alles besser und tut das laut kund. Bedient man ihn wie einen Normalkunden, dann ist er empört und ruft laut, damit ihn jeder im Raum hören hören kann: „Das müssen Sie mir nicht sagen! Die Nebenwirkungen kannte ich schon, als ihre Mutter noch zur Schule ging!” Lässt man die Aufklärung dann beim nächsten Mal sein, so beschwert er sich über die lückenhafte Beratung. Außerdem fragt er bei seinen Besuchen gerne einmal chemische Reaktionsgleichungen ab oder legt irgendwelche Pflanzen auf den Tisch, um die PTA zu prüfen, ob sie denn weiß was das ist.

Aber auch ohne dieses ganze Drumherum ist es oft nicht einfach, mit Kollegen als Kunden umzugehen. Berät man sie wie alle anderen auch oder kann man davon ausgehen, dass sie das Gesagte selbst schon wissen? Anja kommt sich bei solchen Gesprächen oft sehr beobachtet vor. Dabei ist sie selbst dankbar, wenn sie ordentlich und umfassend aufgeklärt wird, wenn sie als hilfesuchender Patient zum Arzt kommt. Ihr Hausarzt weiß aus diesem Grund auch nicht, dass sie Apothekerin ist.

Sie betritt die Apotheke und nimmt sich fest vor, niemanden zu kompromittieren. Hier ist sie nur als ganz normaler Tourist, sie will ja nicht so unangenehm in Erinnerung bleiben wie ihr ungeliebter Apothekerkunde zuhause. Als sie an der Reihe ist, nennt Anja ihren Produktwunsch. „Das haben wir leider nicht da, ich muss es ihnen bestellen”, bekommt sie zu hören. Oho! Das schreit ja nach einem Kommunikationsseminar. Die Worte „leider” und „muss” in einem einzigen Satz sind ja nun schon grob falsch dem Kunden gegenüber, denkt sie. Sie holt tief Luft um zu sagen: „Nein, wenn Ihnen das so viel Mühe macht, dann besser nicht”. Heraus kommt: „Wann kann ich es abholen?” Sie hat schließlich Urlaub.

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