Mit der Verschreibung von hochkalorischer Trinknahrung tun sich viele Ärzte schwer. Dabei ist eigentlich alles gesetzlich geregelt. Anja Alchemilla trifft trotzdem immer wieder auf unbelehrbare Mediziner, die damit Probleme haben.
„Anja – wir haben ein Problem mit der Trinknahrung von Herrn Schubert."
„Welches Problem? Hat doch bisher alles geklappt mit der Abrechnung, oder?"
„Dieses Mal ist es auch nicht die Kasse die Ärger macht, sondern die Hausärztin. Er kam vorhin mit einem Privatrezept. Kannst Du mal mit ihr reden?“ Anja setzt sich ans Telefon und wählt die Nummer der Hausarztpraxis. Die MFA erklärt ihr unmissverständlich:
„Die Frau Doktor hat zu mir gesagt, dass es diesmal auf Privatrezept aufgeschrieben wird. Und so habe ich es auch gemacht, das ist also kein Missverständnis!“ Anja lässt sich zur Ärztin weiterverbinden.
„Hören Sie... der Herr Schubert hat doch in diesem Quartal schon eine Packung aufgeschrieben bekommen. Mehr darf ich nicht verordnen.“
„Wieso denn nicht? Soweit ich informiert bin, gibt es bei der passenden Diagnose keinerlei Mengeneinschränkungen. Herr Schubert hat ALS mit Schluckbeschwerden, da kommt er mit zwanzig Einheiten nicht besonders weit.“
„Ich kann die Allgemeinheit doch nicht ständig finanziell damit belasten. Herr Schubert mag ein paar Schwierigkeiten beim Schlucken haben, ja. Aber anorektisch ist er ja noch nicht, oder? Schicken Sie ihn ruhig zu mir in die Praxis, ich erkläre ihm das schon, wenn Ihnen das zu schwer fällt.“
Herr Schubert ist ein bescheidener Mann mit sehr kleiner Rente, das weiß Anja Alchemilla. Sie kennt ihn seit vielen Jahren und weiß daher, dass er sich die Trinknahrung finanziell nicht leisten kann. Außerdem ist ihr auch klar, dass er sich gegen die Argumente der Ärztin nicht wehren wird, weil er durch die ALS Erkrankung nur noch schlecht sprechen kann und ihm das unangenehm ist. Er möchte niemandem zur Last fallen.
„Es hat nichts damit zu tun, dass es mir zu schwer fällt Herrn Schubert den Sachverhalt zu erklären. Sie befinden sich im Irrtum, wenn sie glauben, dass hochkalorische Trinknahrung ausschließlich Anorektikern vorbehalten ist. Ich kann Ihnen die entsprechenden Texte dazu gerne zukommen lassen.“
„Das müssen sie nicht. Schicken Sie Herrn Schubert einfach zu mir, ich erkläre es ihm dann.“
„Ich werde ihn zu Ihnen schicken. Aber zuvor kopiere ich ihm die entsprechenden Texte und erkläre ihm, dass er im Recht ist. Und ich spreche außerdem mit seiner Krankenkasse und frage offiziell an, ob die Trinknahrung bei seiner Diagnose übernommen wird.“
Anja legt wütend den Hörer auf. Mit Herrn Schubert kann man es ja machen. Er ist sowieso recht still und scheu, und zusätzlich durch seine Erkrankung in seiner Sprache eingeschränkt. Wenn man im Alter niemanden hat, auf den man sich verlassen kann und der an seiner Seite kämpft, dann hat man auf ganzer Linie verloren, denkt sie. Ihre PTA kommt um die Ecke und schaut Anja anerkennend an: „Das hast Du richtig gut gemacht. Der arme Herr Schubert! Ich habe die Gesetzestexte schon ausgedruckt und markiert. Als nächstes rufe ich bei der Krankenkasse an. Gut, dass er bei uns in die Apotheke kommt und nicht online irgendwo kauft. Die hätten sich nicht so für ihn eingesetzt, nicht wahr Don Quijote?“
Anja freut sich, dass ihre Mitarbeiter auf ihrer Seite stehen und mitdenken. „Los Sancho Panza, einen Kaffee noch und dann auf in den Kampf! Das wäre doch gelacht wenn wir Herrn Schubert nicht helfen könnten!
APOTHEKE ADHOC Debatte