Im Zweifel für die Pharmazierätin Alexander Müller, 07.11.2018 10:12 Uhr
Die Revision einer Apotheke im Saarland ist im Nachhinein eskaliert. Weil der Inhaber das von der Kammer verhängte Ordnungsgeld nicht akzeptieren will, geht die Sache jetzt vor Gericht. Der Einspruch des Apothekers gegen den Bescheid der Kammer war erfolglos, weil man dort die Darstellung der Pharmazierätin für glaubwürdiger hält als die Aussagen der Mitarbeiter aus der Apotheke.
Zu dem Besuch der Pharmazierätin in der Rohrbach-Apotheke am 21. August gibt es verschiedene Versionen, genauer gesagt, unterschiedliche Interpretationen. Während Inhaber Christoph Dahlem von einer angenehmen Atmosphäre spricht, hat sich die Pharmazierätin bei der Kammer über mutmaßliche Beleidigungen beschwert. Ein Verfahren gegen den Apotheker wurde eingeleitet.
Dahlem bestätigte zwar gegenüber der Kammer, die kritisierten Aussagen getätigt zu haben, nur hat er Kontext und Stimmung vollkommen anders wahrgenommen. Und so gibt es in den Darstellungen der Beteiligten verschiedene Beispiele, bei denen man sich gut vorstellen kann, dass die Aussage so oder so gemeint gewesen sein könnte. Nach der folgenden Eskalation kann man nur eines mit Gewissheit sagen: Die beiden teilen nicht denselben Humor.
Während der Revision hatte sich die Pharmazierätin die Sprüche des Gegenübers nicht verbeten, nach ihren Angaben, um eine Eskalation zu vermeiden. Dahlem dagegen fand die nachträgliche Beschwerde perfide und bezeichnete die Pharmazierätin in einer Mail als „charakterlichen Totalschaden“. Das war auch nicht ironisch gemeint und dafür hat er sich bei der Kollegin auch entschuldigt. Er sei verärgert über das für ihn überraschende Nachspiel der Revision gewesen.
Die Kammer sieht in dieser Entgleisung dagegen einen Beleg dafür, dass auch die anderen Aussagen eben keine „lockeren Ausführungen“ in „sympathischer und freundlicher Atmosphäre“ gewesen seien, sondern eben Beleidigungen. Dahlem wurde zu einem Ordnungsgeld von 2000 Euro verdonnert. Sein Widerspruch wurde jetzt von der Kammer abgelehnt.
Die Einlassungen des Apothekers wurden von der Aufsichtsbehörde als „nicht glaubwürdig“ eingestuft. Allerdings hatten auch neun Mitarbeiter der Apotheke in der Sache ausgesagt und waren laut Bericht der Kammer „unisono“ der Meinung, die Revision als „angenehm empfunden zu haben“ beziehungsweise aus Schilderungen von Kollegen von einem „harmonischen“ Termin gehört zu haben. Die Vertreterin der Kammer habe sich beim Herausgehen sogar für die angenehme Atmosphäre bedankt, sagte eine Mitarbeiterin aus. Eine andere behauptet, sie habe aus dem Büro laufend Gelächter von beiden gehört.
Die Pharmazierätin hatte gegenüber der Kammer erklärt, sich nicht gegen die Äußerungen „gewehrt zu haben“, um keine Eskalation herbeizuführen. Dies entspreche auch dem Ratschlag der Kammer, auf aggressives Verhalten von Kollegen nicht zu reagieren, heißt es im Beschluss. Und: Pharmazieräte seien Ehrenbeamte, die gemäß ihrem Diensteid ihre Verpflichtungen gewissenhaft erfüllen müssten. Dafür stünden sie unter dem besonderen Schutz des Staates.
Im Rahmen der „freien Beweiswürdigung“ wurden die Ausführungen der Pharmazierätin „als glaubwürdiger erachtet“, so die Kammer. Die Aussagen seien in der zitierten Form gefallen, Dahlem habe dies selbst bestätigt. Und sie seien objektiv beleidigend. Dahlems Mitarbeiter seien womöglich an den „Humor“ ihres Chefs gewöhnt. Der Apotheker hätte sich aus Sicht der Kammer aber bewusst sein müssen, dass seine Äußerungen nach ihrem objektiven Sinn eine Missachtung darstellten. Ob es eine „Beleidigungsabsicht“ gab, sei daher unerheblich. Dahlem habe den beleidigenden Charakter zumindest in Kauf genommen.
Dahlem hatte zwischenzeitlich eine Anwältin mit dem Fall betraut: Diese hatte mehrfach angeregt, das eingeleitete Verfahren einzustellen. Die Angelegenheit werde als „sehr aufgebauscht” empfunden. Es handele sich um erwachsene Menschen und man hätte erwarten können, dass sich die Pharmazierätin entsprechend äußert, wenn sie die Situation tatsächlich als so beeinträchtigend empfunden hätte.
Doch die Kammer beschloss im Vorstand einstimmig bei einer Enthaltung, den Widerspruch abzulehnen und ein Ordnungsgeld von 2000 Euro zu verhängen. Bislang ist der Apotheker zwar nicht negativ aufgefallen. Die Mail an die Pharmazierätin wurde dabei als zweite Beleidigung nach den Äußerungen während der Revision gewertet, so die Begründung der Strafe.
Dahlem klagt gegen diesen Bescheid vor dem Apothekergericht. Kammer-Geschäftsführer Carsten Wohlfeil kann sich zu laufenden Verfahren nicht äußern. Die Geschäftsstelle macht auch keine Angaben dazu, wie viele berufsrechtliche Verfahren sie aktuell führt oder ob es vergleichbare Fälle gibt. Im Februar 2014 hat die Apothekerkammer die Apothekenaufsicht selbst übernommen.