Ebstorfer Apotheke und Apothekenmuseum von 1822

Im Stechschritt an der Apotheke vorbei

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Berlin -

Einmal im Jahr wird es laut vor der altehrwürdigen Ebstorfer Apotheke – immer dann, wenn zum Schützenfest Anfang Juli die „Junggesellen“ der Schützengilde gut gelaunt in militärischer Formation im Stechschritt am Fachwerkhaus vorbeimarschieren. Das hat Tradition seit Ende der 1950er Jahre. Mehr noch: Im Garten der Apotheke gibt es an diesem Tag Apothekerliköre. Dazu gesellt sich dann in alter Tradition die Patenkompanie der Ebstorfer Gilde aus Munster. Es ist eine Panzerbrigade der Bundeswehr.

„Das ist immer ein Highlight für die Leute“, erzählt Apotheker Tobias Winter, der damit die von seinem Vater begründete Tradition fortsetzt. „Die Ebstorfer Schützengilde ist einer der ältesten Schützenvereine in Deutschland.“ Das passt zur Ebstorfer Apotheke, die 1822 gegründet die zweitälteste Apotheke im Regierungsbezirk Lüneburg ist.

Winter hat ein spezielles Verhältnis zur Bundeswehr. Im Jahr 2012 hat er die Apotheke von seinem Vater Helmut Hans Winter übernommen. Für sein Pharmaziestudium war er in den 90er-Jahren von der Wehrpflicht zurückgestellt worden. Nach der Approbation 1998, Zusatzqualifikationen als Herstellungs- und Kontrollleiter nach AMG und einem Zweitstudiengang Gesundheitsökonomie an der WDA war er November 2000 – elf Jahre nach seinem Abitur – nach Hause gekommen und hatte sich bei der Bundeswehr wieder gemeldet. Die wollte ihn dann nicht mehr haben. Nicht, weil er etwa zu alt geworden war. Nach der Wende wurde die Truppe von über 400.000 auf inzwischen etwas unter 180.000 Soldaten mehr als halbiert. Für Winter hatte man keine Verwendung mehr.

Der Spagat zwischen Tradition und Moderne ist für Winter kein Problem. Neben der historischen Ebstorfer Apotheke und der Wriedeler Apotheke führt Winter auch eine Easy-Apotheke im Marktcenter von Uelzen – mit einer bemerkenswerten Interpretation: „Hier kann ich die pharmazeutische Tätigkeit viel entspannter als in einer klassischen Apotheke ausüben, um Klassen besser.“ Der Grund: Der Verkauf von Nichtarzneimitteln laufe in der Easy-Apotheke am HV-Tisch vorbei – nach dem „Drugstore-Prinzip“: Der Kunde kann ohne Wartezeit am Check-out bezahlen.

„Dadurch kann ich mich der Beratung von Patienten mit Rx- und apothekenpflichtigen Arzneimitteln viel konzentrierter und intensiver widmen“, sagt Winter. Kein Kunde warte – wie in traditionellen Apotheken üblich – nur aufs Bezahlen. Unbewusst beeinflussten wartende Kunden nämlich das Beratungsgespräch. Der Patient spüre die Ungeduld im Nacken und der Apotheker sei bemüht, beiden Anliegen gerecht zu werden und daher „mit einem Auge immer abgelenkt“, so Winter. Kritik an dem Easy-Konzept versteht Winter deshalb nicht, auch nicht am Preismodell: „Klar haben wir Angebotspreise, aber wir verramschen nicht.“

Dass er auch zum traditionellen Apothekengeschäft steht, belegt das von der Apothekerfamilie Winter getragene und gepflegte Ebstorfer Apothekenmuseum von 1822. Seit 1955 war sein Vater als Provisor in der Apotheke in der Hauptstraße 36 beim alten Apotheker König angestellt. Als er 1959 die Apotheke kaufte, verlangte die Bezirksregierung, Räume und Einrichtung nach nunmehr fast 150 Jahren zu aktualisieren. Wegen der räumlichen Gegebenheiten im damaligen Gebäude musste für die geforderte Erweiterung anderer Raum gefunden werden.

Nach jahrelanger Suche konnte 1963 in der gleichen Straße Nr. 14 das alte historische „Halle'sche“ Biedermeier-Fachwerkhaus mit großem Garten gekauft werden, das auch 1822 erbaut worden war. Die alte Ebstorfer Apotheke erhielt noch die Konzession vom Hannoveranischen König Georg V. Beim Umzug in die Hauptstraße 14 wurde an das alte Fachwerkhaus ein moderner Flachbau angebaut, in dem nun die Ebstorfer Apotheke mit Medizinal-Drogerie sowie das neuform-Reformhaus genügend Platz fanden.

Gemeinsam konnte das Ehepaar Helmut Hans und Helga Winter ihr Museum nun im Altbau verwirklichen, den sie in 30-jähriger Restaurierung vor dem geplanten Abriss retteten: Die alte Ebstorfer Apotheke mit Offizin und Gefäßen, Labor und Geräten, Arzneikeller, Material- und Kräuterkammer sowie Unterlagen ihrer Geschichte und alle Arzneibücher ab Nr. 1 wurde für die Nachwelt als Museum quasi konserviert.

Die Offizin von 1822 ist das Museums-Schmuckstück mit ihrer alten Biedermeier-Mahagoni-Einrichtung. Aus Gründen des Aberglaubens durfte vor der Rezeptur ein an der Decke hängendes Krokodil nicht fehlen. Bemerkenswert sind die Schubkästen mit Porzellanschildern, die Holz-, Glas-, Porzellan- und Keramikgefäße mit Wappen-Etiketten, wobei noch oft der alte Inhalt vorhanden ist. Sehenswert im alten Labor sind die große kombinierte Destillationsanlage, die als eine der wenigen europaweit existierenden noch voll funktionstüchtig ist, des weiteren eine circa 200 Jahre alte Tinkturenpresse, Schmelztiegel, Mörser, Drogenmühlen und vieles mehr.

Das reichhaltige Apothekenmuseum soll zeigen, wie die Geschichte der alten Ebstorfer Apotheke das Werden einer deutschen Apotheke in den letzten 200 Jahren stellvertretend darstellt und seine Sammlungen und Ausstellungen die Entwicklung der abendländischen Medizin und Pharmazie seit der griechischen Antike veranschaulicht.

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