„Ich wollte schon immer Apothekerin werden“ Lilith Teusch, 25.08.2024 19:13 Uhr
Im rheinland-pfälzischen Höhr-Grenzhausen übergab Beate Schröder die Töpfer-Apotheke an Corinna Reß-Salomon, Inhaberin der Kroebersche Apotheke. Damit sind die beiden historischen Apotheken nun unter einem Dach vereint.
Offiziell ist Reß-Salomon bereits seit Februar die neue Chefin. Doch Schröder wollte nicht abrupt aufhören und hat ihre Aufgaben schrittweise abgegeben. Noch heute hilft sie stundenweise aus.
Zwei historische Apotheken
„Die Kroebersche Apotheke ist die älteste im Umkreis“, erzählt Reß-Salomon. Im Jahr 1890 eröffnete Hugo Kroeber das Backsteinhaus in der heutigen Rathausstraße. Damals waren Höhr und Grenzhausen noch getrennte Stadtteile, und die Grenzhausener waren stolz auf „ihre“ Apotheke. Nach Kroebers Tod führten seine Tochter und ihr Mann die Apotheke weiter.
1945 zerstörten Bomben das Gebäude, auch das Apothekerehepaar und ihr Enkel kamen ums Leben. Die angestellte Apothekerin Anita Hoffmann führte den Betrieb vorübergehend weiter. Später baute der Sohn das Haus wieder auf und verkaufte es an Walter Grachten. 1964 übernahm schließlich Apotheker Willi Ress, der Vater der heutigen Inhaberin, die Apotheke. „Mein Vater hat die Apotheke modernisiert und die historische Einrichtung erhalten, was nicht immer einfach war“, sagt Reß-Salomon. „Es ist schade, dass viele Apotheken heute eher wie Drogerien aussehen.“ 1994 hat sie die historische Apotheke von ihrem Vater übernommen.
1958 wurde die Töpfer-Apotheke von Paul Balcerski eröffnet und nach seinem Tod zunächst verpachtet, bis seine Tochter sie 1991 übernahm. „Frau Schröder hat die Apotheke fast 33 Jahre lang geführt, bevor sie mir im vergangenen Jahr angeboten hat, die Leitung nach und nach zu übernehmen. Wir kennen uns gut und es war eine wohlüberlegte Entscheidung“, erzählt die neue Inhaberin Reß-Salomon.
Kein Beruf, sondern Berufung
„Ich wollte schon immer Apothekerin werden“, erklärt Reß-Salomon; ein anderer Beruf kam für sie nicht in Frage. Die Wohnung, in der sie aufgewachsen ist und heute noch lebt, liegt direkt über ihrem Betrieb. Schon als Kind war sie selbstverständlich in der Apotheke ihres Vaters. „Für mich ist das eine Berufung“, sagt sie. Sie studierte Pharmazie in Mainz und legte 1993 ihr Staatsexamen ab. „1994 hat mich mein Vater ins kalte Wasser geworfen, aber er war immer da, um mich mit seinem Wissen und seiner Erfahrung zu unterstützen. Dafür bin ich ihm sehr dankbar“, sagt sie.
Kaufmännisches Wissen komme in der Ausbildung zu kurz, kritisiert die Apothekerin. Ein Blockseminar bei der Treuhand Hannover reiche einfach nicht aus. Während sie auf einen Studienplatz wartete, konnte sie eine Ausbildung zur Apothekenhelferin absolvieren und sich so in der Berufsschule kaufmännisches Grundwissen aneignen.
Für die Inhaberin war es nie schwierig, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Sie habe aber gute Voraussetzungen gehabt, räumt sie ein. Auch ihr Sohn war als Kind oft in der Apotheke. „Mein Vater hat mir bis zu seinem 84. Lebensjahr geholfen, indem er zum Beispiel sonntags ein paar Stunden ausgeholfen hat oder bei Terminen eingesprungen ist. Auch meine Filialleiterin hat zwei kleine Kinder, die oft mitkommen – das ist für uns ganz normal“, erzählt die Apothekerin. „Vielleicht weckt man so auch das Interesse der Kinder am Beruf“, hofft sie. „Mein Sohn ist zwar Physiker, aber seine Verlobte studiert Pharmazie.“ Die Übernahme der zweiten Apotheke sieht sie auch als Investition in die Zukunft: „Es wäre schön, wenn es in der Familie weitergeht.“
Natürlich habe sie überlegt, ob sie sich den zweiten Standort zutrauen würde. „Mein Mann hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen kann, das noch fünf Jahre zu machen. Ich habe geantwortet, dass ich mir nicht vorstellen kann, in den nächsten zehn Jahre aufzuhören!“
Eine Win-Win-Situation
Die beiden Apotheken sind nur 600 Meter voneinander entfernt. „So können wir Synergieeffekte besser nutzen, Personal austauschen und Medikamente schneller besorgen“, erklärt die Apothekerin. Toll sei, dass sie das gesamte Team inklusive der Botendienstfahrer der Töpfer-Apotheke übernehmen konnte. Mit einem zusätzlichen Großhändler könne man nun besser auf Lieferengpässe reagieren.
„Davon profitieren unsere Kunden. Frau Schröder arbeitet stundenweise weiter – eine Win-Win-Situation“, sagt Reß-Salomon. Trotz der Übernahme des Teams sucht sie aber weiterhin dringend Fachkräfte, vor allem einen Approbierten für die Filiale. „Ohne Frau Schröder wäre es schwierig geworden. Sie ist wirklich Gold wert und so war der Übergang gerade für die Stammkunden fließend“, betont sie.
Bürokratie und Fachkräftemangel
Fachkräftemangel und Lieferengpässe seien enorme Zeitfresser. „Stundenlange Telefonate mit Ärzten, Großhändlern und Herstellern – das fehlt dann für Gespräche oder bürokratische Aufgaben. Das ist ein großes Problem“, sagt die Apothekerin.
Auch der Start des E-Rezepts war holprig. „Ich kam mir vor wie ein Beta-Tester. Die Server waren überlastet, auch in den Praxen gab es Probleme und die notwendigen Schulungen waren unzureichend. Der Referent wusste bei Detailfragen manchmal selbst nicht weiter“, erinnert sie sich. Jetzt laufe es zwar besser, aber technische Probleme gebe es immer noch. Außerdem könne es nicht sein, dass Server nachts wegen Wartungsarbeiten nicht erreichbar sind: „Es kann doch nicht sein, dass ich einem Patienten im Notdienst sagen muss: ,Kommen Sie um 4 Uhr wieder, ich kann ihr E-Rezept jetzt nicht aufrufen.‘ Da braucht es ein redundantes System wie bei Google“.
Auch die geplante Apothekenreform bereitet der Reß-Salomon Sorgen. „Ich habe ein ungutes Gefühl bei den Liberalisierungsschritten und befürchte, dass irgendwann auch das Fremdbesitzverbot fällt. Großkonzernen würde Tür und Tor geöffnet“, erklärt sie.
Um den Apothekerberuf attraktiv zu halten, müsse er auch finanziell gestärkt werden. Besonders im Hinblick auf die steigenden Betriebs- und Personalkosten. „Wer soll das sonst auffangen? Hier muss gezielt angesetzt werden“, fordert sie. Auch Streiks und Protestaktionen seien wichtig, vor allem weil man so mit den Kunden ins Gespräch komme. „Viele Kunden wissen gar nicht, in welchem Dilemma die öffentlichen Apotheken stecken. Die positive Resonanz war großartig.“