Die Dokumentationspflicht bei Lieferengpässen und Ausweichabgaben gehen nicht nur Apotheker Reinhard Rokitta gehörig auf die Nerven. Auf Facebook postete der Inhaber der Punkt Apotheke in Bünde (Nordrhein-Westfalen) kürzlich, dass er auf dem ein oder anderen Rezept für die Krankenkasse einen mahnenden Kommentar hinterlässt. Und da ist er nicht der Einzige.
Lieferengpässe: Überhaupt das aktuelle Thema, welches den täglichen Wahnsinn beherrscht. Es ist einfach nichts zu bekommen. Jedem Ausweichpräparat stets und ständig hinterherzutelefonieren, dazu fehle Rokitta schlichtweg die Zeit. Zumal die Ärzt:innen ohnehin nicht immer erreichbar seien. Zudem komme, dass die Patient:innen oft bereits schon mehrere Apotheken zuvor abgeklappert haben. „Was da an Zeit zusammenkommt, wenn jede Apotheke versucht beim gleichen Arzt anzurufen. Was für eine Verschwendung von Geldern und Ressourcen. Und da kommt es dann auf einmal nicht drauf an – absurd.“
Die Sonder-Pharmazentralnummer diene ja im Grunde schon einer Erklärung für eine ausweichende Arzneimittelabgabe. Es sei auch nicht das große Drama, noch zwei Worte dazuzuschreiben. Die derzeitige prekäre Situation würde allerdings so aussehen, dass man bei nahezu jedem Rezept erstmal mit dem Arzt oder der Ärztin Rücksprache halten muss. „Das geht zu weit. Der Patient steht in der Apotheke und braucht sein Medikament jetzt.“
Bei einem Antibiotika-Rezept konnte Rokitta vor einigen Tagen das Rabattarzneimittel nicht abgeben, weil es nicht lieferbar war. Statt 1000mg Amoxicillin-Tabletten, die 3 mal täglich genommen werden sollten, gab der Apotheker Tabletten mit 750mg Amoxicillin-Tabletten ab und änderte die Dosierung auf 4 mal täglich. Der behandelnde Arzt war an diesem Mittwochnachmittag ohnehin nicht mehr erreichbar. „Bei Kürzung: Anwalt!“, mahnt Rokitta die Krankenkasse.
Er bestätigt, dass es in den Gruppen der Social-Media-Kanäle einige Kommentare zu selbigem Vorgehen gibt. „Das ist meine persönliche Konsequenz aus dieser ganzen kopflosen Gesundheitspolitik. Ich weiß nicht, inwieweit ich mich da rechtlich aus dem Fenster lehne. Aber irgendwann platzt einem ja der Kragen“, so Rokitta. Da nicht genau und komplett geregelt sei, was alles auf dem Rezept dokumentiert werden muss, formuliere der Apotheker seine Begründungen individuell. „Wegen so einem Pupsparagrafen mache ich mich nicht verrückt.“ Bisher kam dazu keine Meldung von einer Krankenkasse. „Aber die lassen sich ja auch mitunter 18 Monate Zeit.“
Seine Hoffnung ist es, dass diese Rezepte aussortiert werden müssen und händisch beziehungsweise manuell geprüft werden müssen. „Die Krankenkassen sollen merken, wie zeitaufwändig ein einzelnes Rezept sein kann. Dass das alles lange dauert, begreifen die ja nicht. Dokumentationen über Preisanker und dringende Fälle – wenn man das mal zusammenzählt, was da an Zeit geopfert werden muss. Das kann es nicht sein.“
Und die 50 Cent Vergütung für den Mehraufwand seien nicht nur eine Kriegserklärung vom Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), sondern auch eine von den Krankenkassen. „Lauterbach ist letztlich eine Marionette der Krankenkassen, nichts anderes. Aber der nimmt uns die Würde."
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