Der designierte Kanzler Olaf Scholz wendet sich in einer eindringlichen TV-Ansprache ans Volk, um zum Impfen aufzurufen – und in den Praxen fehlt der Impfstoff. Ein Apotheker aus Baden-Württemberg gibt zu, dass er Impfstoff für fiktive Ärzte bestellt, um mit den jeweils gekürzten Mengen irgendwie über die Runden zu kommen.
80 Vials hatten die Ärzte bei seiner Apotheke bestellt, keine 30 wurden geliefert, berichtet der Apotheker. Solche desaströsen Quoten kennen viele Apotheken derzeit. Weil der besonders gefragte Corona-Impfstoff Comirnaty von Biontech fehlt, werden die Bestellungen der Praxen überall gekürzt. Dass die Regierung zur Unzeit den falschen Impfstoff gespendet hat, verschärft die Situation.
Vorletzte Woche hat der Apotheker erstmals für zwei Ärzte mehr bestellt, als er in Wirklichkeit beliefert. „Ich erfinde Arztpraxen, um Impfstoff zu bestellen“, gibt er zu. Und weil das beim ersten Mal ohne Probleme geklappt hat, hat er es diese Woche vier Ärzten erfunden. Für jeden hat er drei Vials bekommen, so konnten die tatsächlich existierenden Praxen zumindest etwas bessere Quoten bekommen.
Der Apotheker weiß, dass das eigentlich nicht richtig ist, beugt sich aber an dieser Stelle dem Druck der Ärzte. Denn nachdem es die ersten Kürzungen der Bestellungen gegeben hatte, sei es „zu fast schon nötigenden Situationen“ gekommen, schildert er. Die ausgefallenen Vials müssten auf jeden Fall in der nächsten Woche nachgeliefert werden, hätten die Praxen verlangt, wo offenbar wenig Verständnis für die allgemeine Situation vorherrscht. Und wo es einen Apotheker gibt, der zur Not trickst.
Die Kolleg:innen haben wenig Verständnis für dieses Vorgehen: Schließlich werde bei allen gekürzt, solche Alleingänge seien unkollegial und schadeten dem Kollektiv der Versorgung. Um einen Einzelfall scheint es sich aber doch auch nicht zu handeln. Eine Apothekerin hat von anderen Apotheken gehört, die ebenso verfahren und zusätzliche Ärzte erfinden.
Ein anderer Kollege wurde nach eigenen Angaben schon von mehreren Praxen auf diese Möglichkeit angesprochen, habe aber bewusst abgelehnt. Noch krasser schildert eine Apothekerin aus Hessen ihre Lage: Bei der letzten Kürzung hätten die Praxen beiläufig erwähnt, dass sie die einzige Apotheke wäre, die immer nur die exakten Mengen bestellt. „Nur bei uns gäbe es Probleme, weil wir nicht für fiktive Ärzte bestellen würden.“
Ein weiterer Kollege gibt zu bedenken, dass spätestens bei der Abrechnung auffallen werde, wenn tatsächlich abrechnende Ärzt:innen mehr bekommen haben, als ihnen zusteht. Sofern das geprüft werde. Die Praxen scheinen diese Befürchtung nicht zu teilen: Mehrere Apotheken berichten, dass „ihre“ Ärzte wiederum bei mehreren Apotheken bestellen, um auf ihre benötigte Menge zu kommen.
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