Die Abda ist derzeit sehr bemüht, die Apotheken ins rechte Licht zu rücken. Dabei geht es gerade weniger um Protest, sondern eher um das Bild der netten Apotheke, die immer da ist. Nicht wie die bösen Versender, die nicht mal Steuern in Deutschland zahlen. Und wie könnte man nach der kleinen Mockumentary passender nachlegen als mit einem Reality-Format? Schließlich soll die Öffentlichkeit mit eigenen Augen sehen, wie es wirklich läuft. Also gibt es nun 24/7-Einblick in die fiktive Urwald-Apotheke. Das Team aber ist echt: 10.000 PTA haben sich beworben. Die Rolle der Inhaberin oder des Inhabers wird immer für einen Tag abends am Lagerfeuer hinter der Apotheke bestimmt.
Im Sinne von „Fachidiot schlägt Kunde tot“ ist es sicher auch gar nicht zielführend, Honorardiskussionen in die Öffentlichkeit zu tragen. Es ist das kleine Diplomaten-Einmaleins, dass die wichtigen Gespräche hinter geschlossenen Türen geführt werden. Trotzdem: Außenwirkung ist alles. Also hat die Abda nach dem Erfolg der pDL-Spots und der feschen Mini-Serie „Die Apotheke“ nun die nächste Marketing-Karte gespielt: Alle lieben Reality-Shows. Vor allem in der kaufkräftigen Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen erfreuen sich die vielfältigen Formate seit Jahren größter Beliebtheit. Das neue Format ist also bestens geeignet, um vielleicht nicht nur das Image zu polieren, sondern auch die OTC-Umsätze.
Doch welcher Idee sollte sich diesmal bedient werden? „Deutschland sucht die Super-PTA“ oder „Germany’s next Top-PTA“ würden das junge Publikum nicht abholen, da war sich die Agentur sicher. Da kam „Ich bin PTA, holt mich hier raus“ wie gerufen. Das Format hat alles, was die Abda und die Branche braucht und die Zuschauer:innen sehen wollen: Ekel, Fremdscham, aber auch das gemeinsame Feiern von Erfolgen oder wie toll es sein kann, die eigenen Grenzen zu überschreiten.
Zwei Wochen lang werden zehn Teilnehmende rund um die Uhr innerhalb der Apothekenräume und der kleinen Außenfläche dahinter gefilmt. Wer nicht das Handtuch wirft, von den „Kolleg:innen“ rausgemobbt oder den Zuschauer:innen rausgewählt wird, wird Apothekenkönigin oder -könig.
Beim Ausdenken der Prüfungen braucht es gar nicht so viel Fantasie. Wer regelmäßig Kompressionsstrümpfe anmisst, geht bereits über seine Grenzen hinweg. Aber das gehört zum Job dazu. Das können die Zuschauer:innen ruhig einmal sehen. Doch die von der Abda beworbenen pDL liefern tatsächlich eine gute Basis für die herausfordernden Prüfungen. Außerdem dabei: Erklimmen der meterhohen Doku-Ordner-Türme, Ekel-Abnehm-Shake-Trinken und Bedienen im Akkord mit nur teils befülltem Generalalphabet im peinlichen Ganzkörperkostüm.
Mit dem Mund voller Tabletten muss bei einer anderen Prüfung zwischen Rezeptabrechner und Software vermittelt werden, um verschollene E-Rezepte wieder aufzutreiben. Am nächsten Abend steht eine Auswahl der vor einer Woche gekochten unbeliebtesten Umschau-Rezepte aufgetischt zum Vezehr bereit. Und die schwerste Prüfung von allen und allen, die noch kommen werden: die Light-Prüfung. Hierbei treten die PTA zu dritt an: Eine sieht nichts, eine hört nichts, eine darf nicht sprechen. Für jeden richtig bedienten Kunden gibt es einen Stern. Für jeden bei einer Prüfung gesammelten Stern bekommen die PTA am Abend eine Tafel Schokolade.
Doch das Format lebt nicht nur von den täglichen Prüfungen. Die Apotheke ist für die Fans als Kunden zugänglich, denn natürlich sind Apotheken immer für ihre Kunden da. Wer schon immer mal ins Fernsehen wollte, hat hier nun seine Chance. Da tummeln sich also die spannendsten Charaktere. Während der zwei Wochen befindet sich die Apotheke im Dauernotdienst – „‚eingesperrte‛ Approbierte müssen doch genutzt werden“.
Rund um die Uhr lassen sich die Teilnehmenden im Apothekenhaus zudem beobachten. Dafür gibt es auf der Abda-Seite einen kostenpflichtigen Zugang für die Zuschauer:innen. Für einen kleinen Unkostenbeitrag sehen diese dann aber auch alles, was sich so in der Apotheke abspielt. Und die zusätzlichen Einnahmen kann die Abda für die nächste Postkarten-Aktion gut gebrauchen.
Auch prominente Zuschauer:innen feiern das Format: Karl Lauterbach lernt endlich, wie die Basis wirklich funktioniert. Und entwickelt direkt ein paar Ideen weiter. Paula Piechotta hingegen gehört zu den Leuten, die solche Formate zum Aufregen nutzen: „Wenn man sieht, wie das also wirklich in den Apotheken läuft, ist es ja kein Wunder, dass sie aussterben. Hier müssen die Apotheker:innen unbedingt handeln und selbst Lösungen liefern!“, so ihr Fazit auf X.
Manchmal fühlt sich der Alltag in der Apotheke wirklich so an, als ob gleich jemand mit einer versteckten Kamera hervorspringen müsse. Eingestimmt, an einem Reality-Format teilzunehmen, hat aber wohl niemand. Stattdessen ist es leider Realität, dass sich Lauterbach mit seinen Light-Plänen offenbar auf der Zielgeraden befindet und Rezepte einfach so verschwinden können – teilweise in Form eines seit Wochen bekannten Problems.
Die Apothekenreform gehört zu den kommenden Gesetzen des Ministers und ist bereits in Abstimmung, damit sie womöglich am 24. April im Kabinett beschlossen werden kann. „Die Reform ist vielleicht nicht ganz im Sinne der Verbände und Standesvertretung, aber im Sinne der Patienten“, so Lauterbach. Dabei hält der Minister an seinen Vorhaben der „Light-Apotheken“ ohne Approbierte fest. Dies sei essentiell, um vor allem die Versorgung auf dem Land zu verbessern, denn die Zahl der Präsenzapotheker:innen reiche dafür nicht aus.
Und als wäre das nicht schon schlimm genug, durchzudenken, was bald kommen wird, verarbeiten die Apotheker:innen noch die letzten halbdurchdachten Neuerungen. Das E-Rezept läuft auch nach mehreren Wochen noch nicht flüssig. Manche der Datensätze verschwinden zudem einfach so, ohne dass sich dafür eine wirkliche Erklärung findet – teils noch vor der Belieferung, teils aber auch danach.
Die Abda stellt derweil ihre neue Kampagne vor. Nachdem die eigens produzierte Mini-Serie für mehr Nachwuchs für gemischtes Feedack sorgt, sind nun die pDL dran. Die sollen den Stellenwert der Apotheken ohnehin aufpolieren und werden künftig auch noch im ZDF beworben – während sich viele der Inhaber:innen eher Sorgen machen, ob es sie überhaupt noch in einem Jahr gibt.
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