Das traditionelle Silvesterfeuerwerk bereitet vielen Menschen große Freude – für Tier und Umwelt ist es eine Qual. Aufgrund ihres empfindlichen Gehörs leiden vor allem Hunde unter der bunten Knallerei. Für Besitzende ist oft guter Rat teuer, wie sie ihrem Tier einen möglichst angenehmen Abend bereiten können. Tierarzt Ralph Rückert weiß Hilfe – und möchte mit einem Gerücht zum Thema Eierlikör aufräumen.
Laut Rückert lassen sich Hunde in zwei Kategorien einteilen: „Es gibt die mit der erkennbaren Angst, die sich aber noch gut im Griff haben, und es gibt die Tiere, die vor lauter Angst gar nicht mehr klarkommen.“
Bei ruhigen, abgedunkelten Räumen und der Ablenkung durch Musik und TV handelt es sich um die Basis-Routine für Silvester. An diese darf das Tier gerne schon im Vorhinein gewöhnt werden. So kann es lernen, wie es ist, am Ruheort gefüttert zu werden oder ein Nickerchen einzulegen. Das Tier soll sich an diesem Ort wohlfühlen und dort alles vorfinden, was es brauch: Liegedecke, Spielzeug, Futter und Wasser.
Darüber hinaus gibt es unterschiedlichste Methoden, um das feine Gehör des Hundes zu beschäftigen – oder Geräusche abzuschirmen. Mit etwas Watte in den Ohren – fixiert durch einen Schal und etwas Tape – lässt sich der Silvesterabend gleich besser ertragen. Bluetooth-Stirnbänder für eine angenehme Musikkulisse oder einen speziellen Lärmschutz für Hunde sind ebenfalls einen Versuch wert.
Auslauf sollte der Vierbeiner am Silvestertag morgens und/oder mittags ausgiebig bekommen, sodass am lauten Abend – möglichst früh – nur noch eine kleine Runde zu drehen ist. Für Hundehaltende ist es ratsam, bereits wenige Tage vor Silvester das Tier nur noch an der Schleppleine zu führen. Erfahrungsgemäß halten sich nicht alle Menschen daran, nur an Silvester Böller & Co. in die Luft zu jagen.
Landläufig hält sich noch die Meinung, das Jaulen und Kauern des Hundes an Silvester unkommentiert zu lassen – auch wenn das Nerven kosten kann. Rückert hat dazu eine klare Haltung: „Wenn Ihr Hund in dieser Situation Körperkontakt, Berührung oder gar eine beruhigende Massage haben möchte, dann lassen Sie sich um Gottes Willen nicht durch zweifelhafte und durch nichts belegbare Ratschläge davon abhalten.“
Dies sollte nicht mit einer positiven Verstärkung verwechselt werden: Halter:innen können fälschlicherweise die Ängste ihrer Tiere durch Streicheleinheiten und Zureden verstärken. Das passiert, wenn sie dem Tier aufgrund von Angstreaktionen übermäßig viel Zuneigung zukommen lassen. Anstatt das Tier zu beruhgen, bewirkt das jedoch das genaue Gegenteil: Die positive Verstärkung vermittelt dem Tier, dass es richtig ist, Angst zu haben und wird die Beschwerden sogar verschlimmern. Deshalb: Das Tier in seinem Ruheraum belassen, es sei denn, es sucht die Nähe zur/zum Halter:in.
Aus praktischer Erfahrung weiß der langjährige Tierarzt: „Es gibt Menschen, die ihren Tieren an Silvester das „Pinneken Eierlikör“ zur Beruhigung geben; schon immer. Mir ist daran gelegen, das dosierungsmäßig in geregelte Bahnen zu lenken“, erklärt er im Gespräch, „So, dass dem Tier nichts passieren kann.“ Hunde können den Alkohol im Vergleich zum Menschen nämlich nicht so leicht abbauen, „Dem Hund fehlt – wie einigen Menschen auch – das Enzym Alkoholdehydrogenase. Deshalb habe ich eine Dosierungsempfehlung veröffentlicht, die sicher für Hunde ist.“
Denn: Eierlikör stellt an Silvester für Hunde nicht das Mittel der Wahl dar. Rückert rät strikt davon ab, aus Bequemlichkeit oder Gewohnheit zum Eierlikör zu greifen. „Es wirkt zu einem erstaunlich hohen Prozentsatz, aber es gibt dazu natürlich überhaupt keine Untersuchungen, keine Zulassung, gar nichts. Es ist der Versuch, ein Hausmittelchen in geregelte Bahnen zu bringen.“ Rückert betont, dass alle vorher genannten Methoden vor der Alkohol-Anwendung ausprobiert werden sollten und bei der Mehrzahl der Tiere vollkommen ausreiche.
Auch für Katzen gilt: Ein Rückzugsort, an dem sich das Tier zurückziehen kann, ist prima. Unter möglichst hoher Abschirmung sollten sie einfach in Ruhe gelassen werden – es sei denn, sie suchen die Nähe des Menschen. Pheromon-Verdampfer für die Steckdose können eine gute Ergänzung sein.
Das Mittel der Wahl ist Eierlikör beileibe nicht. Wird dieser zum Beruhigen des Tieres benötigt, sei das ein klarer Indikator für eine Verhaltenstherapie: „Auch wenn Silvester immer sehr plötzlich kommt, lohnt sich eine Verhaltenstherapie bei Hunden, deren Angst nicht in den Griff zu bekommen ist.“ Sollte das Tier durch seinen Rückzugsort und weitere der genannten Tipps nicht zu beruhigen sein, kann mit dem Tierarzt – mit ausreichend Vorlauf, nicht erst zwei oder drei Tage vor Silvester – über eine angemessene Medikation beratschlagt werden.
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