Hormonhaushalt

Schilddrüse aus dem Gleichgewicht

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Münster/Mainz -

Wenn die Schilddrüse als Hormon-Schaltstelle nicht mehr richtig funktioniert, gerät der komplette Stoffwechsel aus dem Gleichgewicht. Bei einer Schilddrüsenunterfunktion leidet auch die Psyche. Steht die Diagnose, lässt die Erkrankung sich aber gut behandeln.

Schlafstörungen, Haarausfall, Gewichtszunahme, Müdigkeit und Weinerlichkeit – all das sind Beschwerden, die Menschen haben, deren Schilddrüse die Hormonproduktion nicht mehr richtig steuert. Das schmetterlingsförmige Organ ist eine Art Kraftwerk für den Körper. Dort werden Hormone gebildet, die für Zellwachstum und Stoffwechsel benötigt werden. Funktioniert das nur maximal 30 Gramm schwere Organ nicht mehr richtig und produziert bei einer Unterfunktion weniger Hormone als der Körper braucht, wirkt sich das auf den gesamten Stoffwechsel aus: Die Betroffenen frieren schnell, sind müde, leiden aber auch unter innerer Unruhe und sind weinerlich.

„Es sind häufig sehr unspezifische Symptome“, sagt Dr. Markus Quante, Facharzt für innere Medizin und niedergelassener Hausarzt in Münster. „Die Patienten klagen über einen Leistungsabfall und Antriebsarmut, können sich nicht mehr konzentrieren, haben Verstopfung und brüchige Haare oder Fingernägel.“ Viele Betroffene berichten zudem von depressionsartigen Verstimmungen, sie brechen scheinbar grundlos in Tränen aus und können sich ihren Zustand nicht erklären. „Sie fühlen sich wirklich schlecht“, erklärt Quante.

Wenn extreme Müdigkeit oder emotionale Verstimmung über mehrere Wochen anhalten und weitere Symptome wie Verstopfung oder brüchiges Haar hinzukommen, sollte man zum Arzt, sagt Quante. Dort könne anhand der Blutwerte abgeklärt werden, ob tatsächlich die Schilddrüse für die Probleme verantwortlich ist – oder vielleicht doch andere Ursachen infrage kommen: zu viel Stress im Job, eine Infektion oder eine Depression.

„Man kann anhand der unspezifischen Beschwerden schon erkennen, dass es schwierig ist, eine Zuordnung zu machen“, sagt der Endokrinologe Prof. Dr. Matthias M. Weber. Er ist Leiter des Schwerpunktes Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen der Universitätsmedizin Mainz.

Symptome wie Haarausfall oder Müdigkeit allein seien nicht aussagekräftig, bestätigt er: „Man braucht immer eine Laboruntersuchung.“ Zudem werde die Schilddrüse per Ultraschall überprüft, um Veränderungen in Größe oder Struktur aufzuspüren. Gibt es bei den Blutwerten bestimmte Auffälligkeiten – eine Erhöhung des sogenannten TSH-Wertes – sei es absolut notwendig, auch die Werte der Schilddrüsenhormone Triiodthyronin (T3) und Thyroxin (T4) zu bestimmen, sagt Weber, der auch Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie ist. Wichtig sei das vor allem deshalb, um andere Gründe für die Beschwerden auszuschließen: „Sonst schiebt man zu schnell einfach alles auf die Schilddrüse und übersieht andere Ursachen.“

Alexandra Burmeister erlebte das Gegenteil. Bei der 40-jährigen Hamburgerin wurde die Schilddrüsenunterfunktion erst sehr spät erkannt. Auch bei ihr waren die Symptome unspezifisch: „Anfangs hatte ich vor allem Stimmungsschwankungen, Panikattacken und Ängste.“ Ihr TSH-Wert sei unauffällig gewesen. Es wurde immer schlimmer, Burmeister schlief fast nur noch, konnte nicht mehr arbeiten, ließ sich sogar in eine Psychiatrie einweisen.

Erst sieben Jahre später machte eine Hausärztin einen Ultraschall der Schilddrüse, weil sie den TSH-Wert zwar noch im Normbereich, jedoch recht hoch fand. „Da kam heraus, dass meine Schilddrüse nur noch sechs Millimeter groß war, das ist viel zu klein“, sagt Burmeister. Diagnose: Schilddrüsenunterfunktion, verursacht durch Hashimoto-Thyreoiditis.

„Das ist eine der häufigsten Autoimmunerkrankung beim Menschen überhaupt“, erklärt Prof. Weber. „Dabei wird das Schilddrüsengewebe zerstört und die Schilddrüse inaktiviert – bis zum kompletten Funktionsausfall.“ Die Autoimmunerkrankung ist die Hauptursache, warum das Hormonkraftwerk Schilddrüse seinen Betrieb drosselt oder komplett einstellt.

Weiterer Grund einer Unterfunktion könne zum Beispiel eine Lithiumtherapie bei psychischen Erkrankungen sein, sagt der Münsteraner Arzt Quante. Auch nach Schilddrüsenoperationen etwa wegen Krebserkrankungen müssten die dann nicht mehr durch den Körper selbst produzierten Schilddrüsenhormone ersetzt werden.

Aber: „Eine Unterfunktion ist gut zu behandeln“, erläutert Quante. „Die Patienten erhalten L-Thyroxin, das die nicht oder zu wenig gebildeten Schilddrüsenhormone in Tablettenform ersetzt.“

Die Behandlung sei „in den allermeisten Fällen“ lebenslang, sagt Weber. „Daher sollte man mit der Diagnose 'Schilddrüsenunterfunktion' auch sehr genau sein.“ Bei unklaren Laborwerten empfiehlt er Patienten, einen erfahrenen Endokrinologen zurate zu ziehen. Eine tatsächlich diagnostizierte Schilddrüsenunterfunktion müsse jedoch unbedingt behandelt werden, betonen Quante und Weber. Funktioniert das winzige Organ nicht richtig, kann das komplette System zusammenbrechen.

Alexandra Burmeister rät Betroffenen, sich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen. „Dort gibt es zum Beispiel Insidertipps, welche Ärzte sich besonders gut auskennen.“

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