Im Jahr 2024 wurden alleine in den ersten drei Quartalen 383 Apotheken geschlossen. Doch diese Zahl bildet nur eine Seite der Medaille ab: Gerne wird übersehen, dass gleichzeitig viele Apotheken übernommen und modernisiert wurden. Zusätzlich ist das neue umstrittene Konzept der Gesundheitsmärkte entstanden, in denen Rezepte gesammelt werden.
Im gesamten ersten Halbjahr wurden gerade einmal 23 Apotheken eröffnet; fünf davon entfielen auf Niedersachsen. Im dritten Quartal des Jahres kamen nochmal 13 neue Betriebe dazu, wobei hier Bayern mit vier Eröffnungen den größten Anteil hatte. Insgesamt wurden in den ersten drei Quartalen des Jahres also 45 Apotheken neu eröffnet; dem stehen über 350 Schließungen entgegen.
Die 30-jährige Theresa Fulst hat sich im Dezember mit der Eröffnung ihrer Fritz-König-Apotheke in Bad Harzburg, einen Kindheitstraum erfüllt. „Das Gebäude, in dem die Fritz-König-Apotheke ein Zuhause gefunden hat, war früher ein Krankenhaus. Auch heute geht es an diesem Ort wieder um Gesundheit“, heißt es auf der Apothekenwebsite. Für ihr Team und sie stehe die Medikation zusammen mit der ganz persönlichen Situation der Kunden im Mittelpunkt der Beratung, heißt es weiter.
In der sächsischen Gemeinde Bärenstein hat Familie Körner im April ihre Sonnen-Apotheke eröffnet. Wie die Freie Presse berichtet, ist die gesamte Familie in den Betrieb involviert: Tochter Gabriele leitet die Filiale, Vater Michael ist Inhaber und Mutter Marlies unterstützt den Betrieb als gute Seele im Hintergrund.
Anne-Katrin Burmester modernisierte die Hubertus Apotheke in Fröndenberg-Langschede mit mehr Technik, darunter Kommissionierer, Abholautomat und zusätzlichen Computerarbeitsplätzen. „Alles wird digitaler und schneller“, sagt die Inhaberin, die die Apotheke 2016 übernahm. Der Abholautomat ermöglicht einen 24/7-Service, der den Kunden auch außerhalb der Öffnungszeiten zugutekommt.
Ina Leischner, Inhaberin der Neuen Apotheke in Hohenmölsen, hat ihr Geschäft in das umgebaute Gebäude eines ehemaligen NP-Supermarkts verlegt. Der Komplex wurde mit einer Millionen-Investition zu einem neuen Gesundheitszentrum umgestaltet. Ihr Motto: „Man muss groß denken, entweder man macht es richtig oder gar nicht.“
Ihr Portfolio optimiert haben in diesem Jahr Thorsten und Gerhard Leitner. Eine Apotheke wurde geschlossen, eine andere übernommen und saniert, und eine dritte erhielt einen Umbau. Trotz der Herausforderungen, wie etwa Denkmalschutz und steigenden Kosten, bleibt Thorsten Leitner optimistisch und glaubt, dass man den Markt aktiv gestalten muss, um erfolgreich zu bleiben.
Nach über 36 Jahren gab Dr. Hella Dierking die Leitung der Einhorn-Apotheke ab, die seit Oktober von ihrer langjährigen Approbierten Dr. Wiebke Wilkars geführt wird. Die Nachfolge gaben sie unter anderem auf Facebook-Seite der Apotheke bekannt. Die Einhorn-Apotheke ist auf endokrinologische Themen, individuelle Hormonrezepturen und Minoxidil-Haarwässer gegen Haarausfall spezialisiert.
Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass Apotheken nicht nur neueröffnet und modernisiert, sondern auch gerettet werden können: Simon Koopmann übernahm die Hummel-Apotheke in Wiefelstede, die seitdem als Koopmann-Apotheke firmiert. Trotz anfänglicher technischer Schwierigkeiten und der aktuellen politischen Lage ist er zuversichtlich. Unterstützt durch das Zukunftswerk Westerstede, entschied er sich für die Übernahme statt einer Neugründung. Mit einem erweiterten Team setzt er auf die Bedeutung der Vor-Ort-Apotheke und die Weiterentwicklung in digitalen und pharmazeutischen Dienstleistungen.
Silja Reichenbach hat zum 1. September die Leitung der Stadt-Apotheke in Regis-Breitingen übernommen. Ihr Vorgänger, Knut Schröter, bleibt weiterhin im Team. Reichenbach ist seit elf Jahren in der Apotheke tätig und legt besonderen Wert auf die regionale Stabilität. Sie betont gegenüber der Leipziger Volkszeitung: „Das Ländliche ist persönlicher. Und während man zusehen muss, wie beispielsweise die Sparkasse schließt, ist es schön, dass wir vor Ort bleiben und damit Stabilität bieten.“ Herausforderungen für Apotheken seien Lieferschwierigkeiten und eine unzureichende Vergütung durch die Krankenkassen.
Wie außerdem die Westfalenpost berichtete, hat Dr. Gerd Franke die Linden- und Franziskus-Apotheke in Olpe verkauft. Neuer Inhaber seit dem 1. Oktober ist Julian Hübenthal, der die Filialen von Franke und dessen Frau übernimmt. Hübenthal, seit 2018 in der Franziskus-Apotheke tätig und ab 2021 Filialleiter, hatte bereits seit längerem den Wunsch, sich selbstständig zu machen. Die Übergabe wurde über zwei Jahre hinweg geplant.
„Hätte ich die Apotheke nicht übernommen, wäre sie geschlossen worden“, berichtet auch Tobias Ludwig, der in diesem Jahr in die Fußstapfen von Elisabeth Dorer trat und ihre Apotheke Roßdorf in Nürtingen übernahm.
Eine echte Rettung haben in diesem Jahr auch Anika Schwarzmann und das Ehepaar Hase hingelegt: Schwarzmann übernimmt nach langer Suche der Eheleute die Insel-Apotheke auf Helgoland zum 1. April 2025. Während die jetzigen Betreiber als Angestellte bleiben, um die Übergabe zu unterstützen. „Es wird immer etwas zu tun geben“, sagt Schwarzmann, die derzeit in Donauwörth tätig ist und mit ihrer Familie nach Helgoland zieht. Trotz der Herausforderungen einer Inselapotheke mit 1400 Einwohnern und 300.000 Touristen jährlich ist sie zuversichtlich.
Und nicht nur das: Bereits heute gibt es gute Nachrichten für das neue Jahr: Wie die Märkische Allgemeine berichtete, eröffnet Franziska Gürtler im März kommenden Jahres die Heide Apotheke im Ärztehaus Beelitz-Heilstätten. Die Räumlichkeiten werden derzeit umgebaut. Gürtler, zuvor stellvertretende Leiterin der Sonnen Apotheke in Nuthetal, erklärte gegenüber der Märkischen: „Der Zeitpunkt, sich beruflich zu verändern, war gekommen, die Kinder sind aus dem Gröbsten raus.“
Das Gesundheitsmarktkonzept hat in diesem Jahr nicht nur in Thüringen für Aufsehen gesorgt. Dort haben zwei Apothekeninhaber:innen einen umstrittenen alternativen Weg eingeschlagen, um die pharmazeutische Versorgung dort zu sichern, wo niemand eine Apotheke eröffnen will – oder kann.
Christoph Zähle eröffnete Anfang April in Treffurt einen Gesundheitsmarkt als Übergangslösung für die geschlossene Pilgrim-Apotheke. Das Konzept basiert auf einem „Pick-up“-Modell, bei dem Kunden Rezepte über eine App an eine Apotheke übermitteln können, um ihre Medikamente abzuholen. Zähle betrachtet diesen Gesundheitsmarkt als Antwort auf den Fachkräftemangel und spricht sich für mehr Offenheit gegenüber neuen Konzepten wie der Telepharmazie aus.
Das Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz prüfte den Gesundheitsmarkt in Treffurt und stellte fest, dass das Konzept rechtlich einwandfrei ist. Die Landesapothekerkammer kritisierte das Konzept jedoch als irreführend: Schließlich könne für Verbraucher:innen durchaus der Eindruck entstehen, in einer Apotheke zu stehen.
Im November zog Jessyca Martin mit ihrem Gesundheitsmarkt in das thüringische Dorf Lengenfeld unterm Stein nach. Der Markt bietet Körperpflegeprodukte und freiverkäufliche Medikamente an und unterstützt die Bewohner vor allem bei der Einlösung von E-Rezepten. Martin sieht den Gesundheitsmarkt als eine Möglichkeit, die Gesundheitsversorgung auf dem Land zu verbessern und betont, dass es gerade für ländliche Gegenden wichtig sei, niedrigschwellige Angebote wie diesen Gesundheitsmarkt zu schaffen. Trotz Bedenken der Landesapothekerkammer, die das Konzept als problematisch einstufte, sieht die zuständige Behörde keine Verstöße gegen das Arzneimittelrecht.