Herzinfarkt ist eher Männersache. Das ist nicht nur ein Klischee, das sagt auch die Statistik. Doch beim Blick auf andere typische Herzleiden wie Rhythmusstörungen, Klappenerkrankungen und Herzschwäche zeigt sich ein ganz anderes Bild. Seit Jahren sind deutlich mehr Frauen unter den Toten als Männer, heißt es im neuen Herzbericht. „Frauen mit diesen Herzkrankheiten haben offensichtlich eine ungünstigere Prognose als männliche Patienten“, sagt Professor Dr. Thomas Meinertz, Vorstandschef der Deutschen Herzstiftung. Liegt das vielleicht auch an der gesundheitlichen Versorgung?
Herzkrankheiten haben Gewicht. Nach Daten des Statistischen Bundesamts belegen sie traditionell den Spitzenplatz unter den häufigsten Todesursachen in Deutschland. 2015 starben 356.625 Menschen an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung – 157.999 Männer und 198.626 Frauen. Das sind fast 40 Prozent aller Sterbefälle überhaupt. Allein an einem Herzinfarkt starben 50 948 Menschen – 57 Prozent Männer und 43 Prozent Frauen.
Die Zahlen im jüngsten Herzbericht für Deutschland zeigen ein unbekannteres Detail. An Herzklappenkrankheiten starben 2014 zum Beispiel 6180 Männer – aber 9884 Frauen. „Unerwartet groß“ nennen Fachleute diesen Geschlechterunterschied. Das gilt auch für Herzrhythmusstörungen und Herzschwäche.
Gesichert sei, dass Frauen durchschnittlich sieben bis zehn Jahre später an Herzleiden erkrankten als Männer, berichtet Meinertz. Da Herzprobleme überwiegend eine Krankheit des Alters sind – ab 60 geht es oft richtig los - ist allein das Alter bereits ein höheres Risiko. Dazu kommen hormonelle Unterschiede zwischen Männern und Frauen, eine unterschiedliche Anatomie der kleinen Herzkranzgefäße. Aber auch die Psychologie.
„Viele Frauen glauben, dass sie nicht herzkrank werden“, sagt Professor Dr. Hugo Katus, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. Die Sorge vor Brustkrebs sei viel größer. „Es erkranken aber zehn Mal mehr Frauen an Herz- und Gefäßkrankheiten als an Brustkrebs“, erläutert er. „Da müssen wir das Bewusstsein schärfen.“ Auch Ärzte seien nicht frei von dem Klischee, dass Frauen seltener von Herzleiden getroffen würden als Männer. Dazu komme, dass Symptome bei Männern und Frauen unterschiedlich ausfallen könnten – und damit bei Frauen schwerer zu diagnostizieren seien.
Auffällig bleibt, dass Frauen deutlich seltener auf bestimmte Herzkrankheiten untersucht werden. Das gilt zum Beispiel für Röntgenanalysen mit Kontrastmitteln, die Hinweise auf Verengungen oder Verstopfungen der Herzkranzgefäße geben können, heißt es im neuen Herzbericht. Unterschiede finden sich aber auch bei Operationen wie dem Einsetzen von Gefäßstützen (Stents), die deutlich mehr Männer erhalten als Frauen. Auch bei den rund 52.000 Bypass-Eingriffen im Jahr 2015 waren 78 Prozent der Patienten Männer – und nur 22 Prozent Frauen.
In jedem Fall müssten Frauen mit Herzbeschwerden diagnostisch und therapeutisch so gut behandelt werden, dass die Unterschiede in der Sterblichkeit nicht auf Versorgungsunterschieden beruhen, fordert Thomas Meinertz. Noch sei nicht belegt, ob es da wirklich einen Zusammenhang gibt.
In der Summe ist der „klassische Herztod“ in Deutschland seltener geworden. Infarkte könnten durch bessere Prävention, Rettung, Diagnostik, Chirurgie und Medikamente heute erfolgreicher behandelt werden, erklärt Kardiologe Hugo Katus. Eine Zunahme gebe es in der alternden Gesellschaft dagegen bei den Diagnosen Herzschwäche, Rhythmusstörungen und Herzklappenerkrankungen. Und das sind augenscheinlich auch die Achillesfersen von Frauen.
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